Gigantische Managergehälter und Mindestlöhne von nur 7 Euro, „schwarze Kassen“, Luxusreisen mit Puffbesuchen für käufliche Arbeitnehmervertreter – das Image der Konzerne in Deutschland hat gelitten. Nur etwas Aufpolieren hilft da nach Einschätzung gewichtiger Stimmen aus der Wirtschaft nicht. Gesellschaftliches Verantwortungsbewusstsein müsse Kernstück wirtschaftlichen Handelns sein. Doch obwohl es bereits Vorbilder gibt, ist Corporate Sozial Responsibility (CSR) für viele Großfirmen noch Neuland.
Saubere Haare, sauberes Gewissen
Persil, Schwarzkopf, Fa – das alles sind Traditionsmarken der Firma Henkel. Doch gerade das volatile Geschäft mit der Reinlichkeit hat offenbar Implikationen beim Konsumentenverhalten. So ist es sicher kein Zufall, dass der Düsseldorfer Seifen-Konzern bei CSR mit leuchtendem Beispiel voranging. In dem Unternehmen, von dessen nach eigenen Angaben 52.000 Mitarbeitern vier Fünftel im Ausland tätig sind, gelten weltweit einheitliche Standards für eine nachhaltige und sozial verantwortungsbewusste Firmenkultur. Das Gegenstück sind regionale Aktionsprogramme, mit denen Henkel den unterschiedlichen gesellschaftlichen und kulturellen Besonderheiten am jeweiligen Firmenstandort gerecht zu werden versucht. Das Programm – im Jahr 2006 mit dem Sustainability Congress Award ausgezeichnet – vermittelt: Kauf Henkel-Produkte und du hast saubere Haare, saubere Wäsche und dazu noch ein sauberes Gewissen.
Corporate Social Responsibility (CSR) bezeichnet das freiwillige Bekenntnis der gesamten Wirtschaft und einzelner Unternehmen zu sozialem Verantwortungsbewusstsein. Es geht dabei darum, gesellschaftliche und ökologische Kriterien zu berücksichtigen und zu erfüllen. Diese Haltung basiert auf der Grunderkenntnis, dass Unternehmenserfolg nicht nur die Erfüllung von wirtschaftlichen Interessen bedeutet, sondern auch an gesellschaftlichen Zielen zu messen ist, die wiederum der eigenen Geschäftspolitik nutzen.Ungeniert, ruiniert
Umgekehrt gilt das Motto: Bist du beim Ruf recht ungeniert, ist die Bilanz bald ruiniert. Laut einer Untersuchung der Unternehmensberatung McKinsey haben die deutschen Großunternehmen bei der Mehrheit der 7.000 befragten Verbraucher ein negatives Image. Mehr als 50 % gaben an, bestimmte Lebensmittelmarken aus Protest gegen die Firmenpolitik nicht zu kaufen. Zwei Fünftel der Befragten versuchen sogar, auch Bekannte vom Kauf bestimmter Produkte abzuhalten. „Firmen, die gesellschaftliche Erwartungen berücksichtigen, genießen einen Wettbewerbsvorteil“, lautet der Schluss der renommierten Unternehmensberatung. „Eine Missachtung stellt dagegen ein enormes Risiko dar.“
Stromstromer haben´s schwer
Stromgiganten wie E.ON, RWE oder Vattenfall haben es sich bei den Konsumenten laut der McKinsey-Studie dagegen erst mal verdorben. Selbst Politiker-Pläne zur Zwangsentflechtung treffen da auf Zustimmung. Knapp drei Fünftel der Befragten sind der Meinung, dass eine Aufspaltung der großen Energiekonzerne zu mehr Wettbewerb und niedrigeren Strompreisen führen würde. Nur eine Minderheit von acht Prozent hält eine Zerschlagung für einen nicht zu rechtfertigenden Eingriff in die Rechte der Aktionäre. Geschockt versuchen die Konzernherren jetzt plötzlich, sich das Image der Klima-Saubermänner zu geben. Aber solche Schnellschüsse, sich als „Öko-Energie-Dienstleister“ zu positionieren, scheinen in der Öffentlichkeit wenig zu fruchten.
CSR-Kategorien
Arbeitsplatz: Arbeitsbedingungen, Gesundheits- und Arbeitsschutz, Gehalt und Zusatzleistungen, Chancengleichheit am Arbeitsplatz, Aus- und Weiterbildung, Arbeitgeber-Arbeitnehmer-Beziehungen
Gemeinwesen: Spenden und Partnerschaften, Engagement von Mitarbeitern im Gemeinwesen, Existenzgründungs- und Beschäftigungsförderung
Markt: Produktpflege, Lieferantenbeziehungen, Forschung und Entwicklung
Umwelt: Nachhaltigkeit und Abfallminimierung, sinnvolle Nutzung von Energie und Wasser, sonstige Umweltaktivitäten
Ethik: Bestechung oder Korruption, sonstige Fälle des Verstoßes gegen ethische Normen
Menschenrechte: Menschenrechtsverletzungen, Kinderarbeit, Prüfung von Zulieferern.
(Quelle: FTD)
Leicht durchschaubare Züge
Neun von zehn Verbrauchern bezweifeln, dass diese Unternehmen im Interesse der Gesellschaft handeln, schreibt Jürgen Fleig vom Portal in einem Beitrag in www.business-wissen.de. Der Kunde durchschaue, dass es bei solchen Schachzügen um plumpe Imagepflege gehe. Das liege auch daran, dass die Aktivitäten isoliert von den Unternehmenszielen organisiert werden. „Die organisatorische Einbindung erfolgt beim Risikomanagement oder bei der Public Relation; der Rest des Unternehmens bleibt davon unberührt“, schreibt Fleig.
„Empörung verändert Märkte“
In ihrem Report Die neue Business-Moral stellen Susanne Köhler und Andreas Haderlein vom Zukunftsinstitut fest: „… Empörung verändert künftig Märkte – da geht kein Weg mehr dran vorbei.“ Gesellschaftliches Engagement und ökologisches Handeln werden laut dieser Einschätzung zu einem zentralen Faktor für den Unternehmenserfolg. Nach Fleigs Feststellung tasten sich viele Unternehmen an CSR heran, ohne genau zu wissen, wie sie genau damit umgehen sollen.
In Fleisch und Blut
Den CSR-Verfechtern geht es darum, dass gesellschaftliches Verantwortungsbewusstsein der Wirtschaft und den einzelnen Unternehmen in Fleisch und Blut übergeht. Soziales Verhalten, Nachhaltigkeit und ethische Betriebsführung müssen demnach zentrale Kriterien auf sämtlichen Feldern der Ökonomie werden. Wichtig sind dabei langfristige Planung und die Kontrolle beim Erreichen von Etappenzielen. So sind beim Sportartikel-Hersteller Puma zehn Mitarbeiter in der Abteilung für Social Accountability and Fundamental Environmental Standards dafür verantwortlich, dass Umwelt- und Sozialstandards nicht nur bei Puma, sondern auch bei Lieferanten eingehalten werden.
CSR Germanywww.verantwortliche-unternehmensfuehrungGrünbuch der Europäischen Kommission zur sozialen Verwantowrtung von Unternehmen (2001)
www.wertevollezukunft.de
Für alle Beteiligten von Interesse
Um sich der eigenen CSR-Ziele bewusst zu werden, muss die Unternehmensführung sich genau der Personen und Anspruchsgruppen bewusst sein, denen ihre Firma gerecht werden will. Dazu ist eine präzise Analyse der Stakeholder von zentraler Bedeutung. Der Dialog auf Gegenseitigkeit mit den Personen, Gruppen und Institutionen, die individuelle, gesellschaftliche, politische Interessen vertreten oder rechtliche Anforderungen an ein Unternehmen stellen, wird nach übereinstimmender Einschätzung von Wirtschaftsexperten und Zukunftsforschern für ein modernes Management mittelfristig immer wichtiger werden.
Selbstlosigkeit nicht gefragt
Wie jede Vermittlung unterschiedlicher Interessenansätze ist dieser Dialog allerdings nicht ohne Reibungspunkte. Empfänger von Spenden wie Verbraucherschützer oder Hüter der Wirtschaftsethik befürchten nur zu leicht, von unternehmerischen Partikularinteressen vereinnahmt zu werden. So nutzt der japanische Autohersteller Toyota – 2006 ebenfalls mit dem Sustainability Congress Award ausgezeichnet – die Ehrung für die Entwicklung eines Hybrid-Motors selbstverständlich für seine Werbung. Aber wozu wären solche Preise schon da, wenn nicht für eine win-win-Situation, bei der alle Beteiligten profitieren.
Standortvorteil des Mittelstands
Es sollte übrigens nicht der Eindruck entstehen, dass CSR nur etwas für Großkonzerne ist. Laut McKinsey-Report sind es gerade die mittelständischen Unternehmen, die bei den Befragten am meisten Vertrauen genießen. In Deutschland liegen sie sogar noch vor gemeinnützigen Organisationen an der Spitze. „Als Mittelständler hat man die Freiheit, statt kurzfristigem Profit eine nachhaltige Wertsteigerung anzustreben. Rechtschaffenes Wirtschaften ist eine zeitlose Großvater-Wahrheit“, zitiert Fleig in der FTD Georg Schneider, Chef der Weißbierbrauerei G. Schneider und Sohn GmbH im bayrischen Kelheim. Doch das Vertrauen ist schnell verspielt, wenn zur Nähe von Chef und Beschäftigten ein Skandal wegen Gift in Vorprodukten oder Kinderarbeit bei Zulieferern kommt.
Verbrauchermacht geltend machen
Doch bei allem guten Willen der Wirtschaft gerieten die Gesetze der Konkurrenz außer Kraft, wenn die Bemühungen nicht auch von einem gewissen Druck von „Otto Normalverbraucher“ getragen werden. Radikale Ideologien, Streiks und Massendemonstrationen können nicht so viel Macht entfalten wie Konsumenten und Kleinanleger: Wo ich meine paar Kröten investiere oder ausgebe, das kann die Wirtschaftswelt beeinflussen. Geiz mag geil sein, noch geiler ist die Überlegung, ob ich mir durch die Unterstützung unsozialer, umweltmissachtender, ethik-resisenter – anders gesagt: kurzsichtiger oder rücksichtloser Profitgeier letztendlich selbst schade.
red/ug
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