Googelt man den Begriff „Zwei-Klassen-Medizin“, dann erhält man immerhin 353.000 Ergebnisse und die Überschriften reichen von „Ärzte diskriminieren Kassenpatienten“ (Spiegel) über „Die zynischen Folgen der Zwei-Klassen-Medizin“ (Die Welt) bis „Zwei-Klassen-Medizin längst Realität“ (Deutsches Ärzteblatt). Zeitlich beschäftigt das Thema Deutschland seit mindestens 10 Jahren. Bereits im Jahr 2o02 ergab eine Umfrage des Emind-Institus: „Das Vertrauen der gesetzlich Krankenversicherten in das deutsche Gesundheitssystem ist erschüttert“.
Dabei verstellt die Diskussion um die Zwei-Klassen-Medizin den Blick auf ein ganz anderes und viel weitergehendes Problem: Dass es nämlich gar nicht mehr um die Rettung des „deutschen Gesundheitssystems“ geht, sondern um den Wandel zu einer Gesundheitsindustrie, die ausschließlich nach marktwirtschaftlichen Regeln funktioniert. Die Betrügereien rund um die Transplantationen oder das regelmäßige Zuviel an Operationen sind da nur die Spitze eines Eisbergs.
Wie weit dieser Umbau bereits erfolgt ist und wie machtlos Politik und Gesellschaft bislang dieser Veränderung gegenüberstehen, dazu hat Werner Bartens, einer der profiliertesten deutschen Medizinjournalisten, jüngst ein Buch veröffentlicht.
Heillose Zustände – Warum die Medizin die Menschen krank und das Land arm macht
Bereits in seinem Vorwort zitiert Bartens drei Mediziner mit jeweils einem Statement zum Zustand der medizinischen Versorgung in Deutschland:
„Joachim Jähne, Chefarzt der Chirurgie am Henriettenstift in Hannover, beklagt im „Deutschen Ärzteblatt„, dass Ärzte „aufgrund des starken finanziellen Drucks auf die Krankenhäuser“ immer mehr operieren und so ihre Patientenzahl steigern – und zwar nicht aus medizinischen, sondern aus ökonomischen Gründen.“
„Matthias Rothmund, Chef der Gefäßchirurgie und Medizin-Dekan der Universität Marburg erklärt in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung„: „Das Großexperiment Fusion und Privatisierung zweier Universitätskliniken ist misslungen. Land und Rhön Klinikum AG sind aufgefordert, diese Wahrheit zu erkennen und zu reagieren.“ Die Versorgung der Patienten in Mittelhessen dürfe nicht durch weiteren Personalabbau und Einsparungen in Gefahr geraten, weil die Privatisierung der Unikliniken Gießen und Marburg bisher zu wenig Rendite für die Rhön-Aktionäre erbracht habe.“
Und schließlich, am Beispiel der Brustimplantate aus minderwertigem Silikon und Hüftprothesen mit gefährlichem Metallabrieb, ein Zitat aus dem Gesundheitsministerium, wo man deshalb noch lange keinen Grund sieht, die zu laschen Zulassungsverfahren zu ändern.
Susanne Conze, Referatsleiterin im BMG stellt fest, dass ihr Dienstherr Daniel Bahr „noch lange „keinen Systemwechsel“ plane und am Zulassungsverfahren „nichts ändern“ wolle.“
Mit den „50 bitteren Wahrheiten“, von denen jeweils 25 auf der vorderen und hinteren Innenseite des Buchdeckels aufgeführt sind, ist es dem Herausgeber und Verlag gelungen, den explosiven Inhalt des Buchs auf 4 Seiten zu verdichten.
Mit seinem „Aufruf für eine bessere Medizin“ zeigt Werner Bartens abschließend auch noch, wie der Weg zu einer besseren, weil menschlicheren und patientenbezogenen Medizin aussehen kann und welche Mitstreiter es braucht.
Ob die zuständige Ministerialbürokratie wohl Bartens radikale Schlussforderung:
„Weg mit dem Gesundheitsministerium, solange es nicht die Gesundheit der Menschen, sondern die Gesundung der Medizinindustrie im Sinn hat.“
lesen wird?
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