Bereits einmal hatten wir sie thematisiert, die forschen Forderungen der Herren Dobrindt und Döring nach einer vollkommenen Transparenz der Steinbrück’schen Nebeneinkünfte. Nachdem Steinbrück zu Beginn der öffentlichen Forderung nach Aufklärung über seine Nebentätigkeiten und deren Entlohnung eher „zögerlich“ reagierte, ging er, als er erkannte, dass er anders nicht mehr aus der Schlinge kommt, in die Offensive. Am 30.10.2012 „legte er offen“ – nicht ganz, aber weitgehend und in einer Form, die gemessen an der bisher gepflegten Transparenz der Nebeneinkünfte, einen neuen Maßstab setzt.
Wir betrachten die Zeit vor der großen Offenbarung und die Argumentation aller Beteiligten. Spannend und aufschlussreich ist die Parlamentsdebatte vom 18. Oktober 2012
In einer aktuellen Stunde fordert die Fraktion Bündnis90/Die Grünen
„Integrität parlamentarischer Entscheidungen durch mehr Transparenz und klare Regeln gewährleisten – Nebentätigkeiten, Karenzzeit für Regierungsmitglieder, Abgeordnetenbestechung und Parteiengesetz.“
Volker Beck erklärt für die Grünen
„Meine Damen und Herren! Nirgendwo fallen Reden und Handeln bei dieser Koalition so auseinander, wie beim Thema „Nebentätigkeiten und Transparenz für Abgeordnete. In der letzten Woche haben Sie auf einmal Gefallen an mehr Transparenz gefunden. Seit heute wissen wir: Das gilt nur, wenn es um den Kollegen Steinbrück geht. Wenn es mir keinen Ordnungsruf eintragen würde, Herr Präsident, dann würde ich das Verhalten der Koalition glatt als Heuchelei bezeichnen.“
Und er zitiert das Bundesverfassungsgerichts-Urteil zu den Transparenzrichtlinien, in dem es heißt:
(Vgl. Pressemitteilung des BVerfG vom 4.Juli 2007 (!))
„Wähler müssen Zugang zu den Informationen haben, die für ihre Entscheidung von Bedeutung sein können. … Die parlamentarische Demokratie basiert auf dem Vertrauen des Volkes; Vertrauen ohne Transparenz … ist nicht möglich … Interessenverflechtungen und wirtschaftliche Abhängigkeiten der Abgeordneten sind für die Öffentlichkeit offensichtlich von erheblichem Interesse. … Das Volk hat Anspruch darauf, zu wissen, von wem – und in welcher Größenordnung – seine Vertreter Geld oder geldwerte Leistungen entgegennehmen.“
Beck appelliert an die Abgeordneten und fordert sie auf, sich die Worte des Verfassungsgerichts „hinter die Ohren zu schreiben“. Das hätte eigentlich bereits im Juli 2007 erfolgt sein müssen. Steinbrücks „Vorpreschen“ ist also gar kein Vorpreschen, sondern lediglich das verspätete Umsetzen einer längst bestehenden Auflage!
In der weiteren Rede Becks folgen dann die üblichen Parteigeplänkel, wie z.B.
„Meine Damen und Herren von der christlich-liberalen Koalition, Sie fürchten mehr Transparenz wie der Teufel das Weihwasser.“
und die entsprechenden Zwischenrufe der angesprochenen Damen und Herren (Beatrix Philipp [CDU/CSU]: So ein Quatsch! – Zuruf von der FDP: Quatsch!)
Fakt ist, alle (!) Fraktionen des Deutschen Bundestags haben es bis heute versäumt, eine den Auflagen des Bundesverfassungsgerichts entsprechende Transparenzregelung einzuführen. Und auch die aktuell diskutierte Stufenregelung würde nicht der Auflage des höchstrichterlichen Urteils entsprechen.
Als Zwischenrufer tut sich in der Sitzung besonders der Abgeordnete Michael Grosse-Brömer, einer der führenden Transparenzler in der Causa Steinbrück hervor. Entsprechend geht es für ihn auch nicht in erster Linie um die Sache an sich, sondern wiederum um Peer Steinbrück, als er ans Rednerpult tritt:
„Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Machen wir uns nichts vor, diese Aktuelle Stunde verdanken wir nicht unwirksamen Transparenzregeln, sondern der Sorge von Rot-Grün, dass Peer Steinbrück mit seinen Vortragsreisen weiterhin in der Diskussion bleibt.“
Ansonsten übt er in seiner Rede bereits die vorbeugende Argumentation gegen eine Transparenzregelung à la Peer Steinbrück, denn er sagt zur Steinbrück’schen Darstellung der Nebeneinkünfte:
„Er hat sich dazu freiwillig bereit erklärt und gesagt: Ich lege gerne alles auf den Tisch. Ich habe das nicht gefordert. Sie haben in der Ihnen eigenen Art, als Sie mich zitierten, die Hälfte weggelassen. Ich habe nämlich gesagt: Wenn denn jemand freiwillig sagt: „Ich offenbare alles“, dann muss er es auch tun. Diese Forderung habe ich aufgestellt. Das können Sie gerne noch einmal nachlesen. Ich finde, die bisherigen Transparenzregeln geben auch die Möglichkeit, nachzufragen. Genauso ist es richtig. „
Dass diese Darstellung eigentlich die einzig mögliche im Sinne des Verfassungsgerichts ist, scheint Herrn Grosse-Brömer nicht gewärtig zu sein. Bemerkenswert auch seine Verständnislosigkeit:
„In diesem Zusammenhang halte ich deshalb auch die Forderung nach Offenlegung auf Heller und Pfennig für falsch. Wo ist der Mehrwert, wenn alles auf Heller und Pfennig offenbart werden muss, im Vergleich zu diesem Stufenmodell, bei dem pauschaliert wird? Im Übrigen wird dem Bundestagspräsidenten alles ganz konkret angezeigt, aber für die Öffentlichkeit wird das pauschaliert dargelegt. Den Mehrwert bei der Transparenz sehe ich nicht. Den hat mir bislang keiner erklärt, auch heute Morgen nicht in der Rechtsstellungskommission.“
Es verwundert, dass er sich nicht vorstellen kann, dass es für Bürger interessant ist zu erfahren, ob ein Abgeordneter, der im Bundestag für die Senkung der Mehrwertsteuer für das Hotel- und Gaststättengewerbe gestimmt hat, zuvor oder kurz danach einen gut dotierten Vortrag bei einer Institution eben dieses Gewerbes gehalten hat.
Genauso, wie es interessant war zu erfahren, dass eine hochverschuldete Stadt wie Bochum, Herrn Steinbrück das höchste Honorar für einen einzelnen Vortrag bezahlt hat. Nachträgliche Erklärungsversuche unbeachtet gelassen.
Wird fortgesetzt!
Alle Zitate aus dem stenografischen Bericht der 198. Sitzung des Deutschen Bundestags vom 18.10.2012
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