0 Guten Gewissens Unternehmer werden
(Teil 1)

Eine neue Generation von Hochschulabsolventen will gesellschaftliche Probleme lösen. Ein hohes Gehalt ist ihr nicht so wichtig. Vier Geschäftsideen. Von Johannes Pennekamp

Teil 1: Medizinische Befunde übersetzen

Anja Kersten erinnert sich noch gut daran, wie aufgewühlt die Mutter einer Freundin war, als sie sie um Hilfe bat. Die Frau war vor Jahren an Brustkrebs erkrankt und im Befund einer Kontrolluntersuchung tauchte das Wort „Metastasen“ auf. „Sie war vollkommen verunsichert und hatte nicht verstanden, was ihr die Ärzte gesagt haben“, sagt Kersten. Sie, die Medizinstudentin, konnte aufklären: Es handelte sich lediglich um einen Verdacht, die Krankheit war zum Glück nicht zurück. Für Kersten war der Vorfall die Initialzündung. Um Patienten, die sich von ihren Ärzten nicht ausreichend aufgeklärt fühlen, zu helfen, gründete sie Anfang 2011 mit zwei Partnern washabich.de – ein Internetportal, auf dem Patienten ihren Befund eingeben, der dann von Ärzten und Studenten höherer Semester übersetzt wird.

Ein mutiger Schritt, denn die 28-jährige stand kurz vor den Examensprüfungen. Ihre Eltern sorgten sich, sie könne sich übernehmen – doch das war unbegründet: „Das Übersetzen der Befunde hatte auch einen Lerneffekt“, sagt Kersten. Eineinhalb Jahre nach der Gründung hat sie ihr Examen in der Tasche, das Portal brummt. Mit ihren Kollegen betreut die Sozialunternehmerin ein Netzwerk von 500 Ärzten und Studenten: „Jede Woche bearbeiten wir 150 Befunde.“ Ihren Wunsch, Ärztin zu werden, hat Kersten auf Eis gelegt. Das Angebot, in einer Praxis zu arbeiten, lehnte sie ab. Ihre neue Motivation: „Ich will möglichst viele Ärzte dafür sensibilisieren, sich mehr Zeit für die Gespräche mit ihren Patienten zu nehmen und sich verständlich auszudrücken.“

Reich wird Kersten nicht. Die Patienten bekommen die Leistung kostenlos, jeder Dritte spendet im Schnitt 20 Euro. „Das reicht gerade, um davon leben zu können“, sagt die Medizinerin. Werbung und Fördergelder sollen dafür sorgen, dass das Portal langfristig genug Geld abwirft. Was ihr Mut macht: „Wir haben unheimlich viel zu tun.“

„© Alle Rechte vorbehalten. Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH, Frankfurt. Zur Verfügung gestellt vom Frankfurter Allgemeine Archiv.“

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