
Quelle: picasa; Foto: Peter Michael
Jährlich schleckt jeder Deutsche durchschnittlich 1,5 Kilogramm Honig weg. Dafür müssen die Bienchen ganz schön fleißig sein: Um nur 300 Gramm Honig zu produzieren, müssen die Arbeiterinnen dieser Hautflüglerart etwa 20.000 Mal aus ihrem Bienenhaus ausfliegen. Doch jetzt blicken die Imker besorgt in die Zukunft.
Denn am Horizont dräut ein düsteres Bild: Die Bienenvölker sterben haufenweise ab. Und das bringt ernsthafte Folgen. Die Züchter sind besorgt, die Konsumenten auch. Denn der Mangel an Bienen bringt weniger Ernte ein, prophezeien die Imker. Schließlich sind die emsigen Summtierchen nicht nur für den Honig zuständig. Sie bestäuben über 80 % aller unserer Pflanzenarten. Beileibe nicht nur die Obstbäume, sondern auch Gemüsearten wie Spargel, Brokkoli oder Sellerie.
Und so schießen ob des Bienensterbens die wildesten Überlegungen ins Kraut. Wo die einen behaupten, der Hauptgrund liege in den extremen Wetterschwankungen, meinen die anderen, die Strahlung der Handymasten sei der Imme Tod. Doch nichts davon ist bewiesen. Allerdings hat man herausgefunden, dass der Exodus ganzer Bienenpopulationen sicher auch dem Virus Verrea destructor zuzuschreiben ist. Dieser hat sich Laufe des vergangenen, relativ warmen Winters sehr vermehrt. Und desgleichen droht in diesem Winter auch. Die Milben dieses Bienenmörders Verrea wurden 1977 aus Asien nach Europa verschleppt.
Akute Gefahr durch Importe
Den bisherigen Höhepunkt des Massensterbens gab es in den USA im Winter 2006/2007 – fast 90 % der US-Bienenvölker waren plötzlich verschwunden. Lange konnte man sich die Ursache nicht erklären. Die neuesten Ergebnisse einer Studie der Universitäten Pennsylvania und Columbia haben aber ergeben, dass neben dem Verrea-Virus ein 2004 in Israel entdecktes und für Bienen äußerst ansteckendes Parasit Israeli Acute Paralysis (IAPV) die Ursache für den Bienen-Exodus sei. Die damit infizierten Tiere bekommen Lähmungserscheinungen und sterben wenige Tage nach der Infektion – und zwar außerhalb ihres Stocks. Die im September vergangenen Jahres veröffentlichte Studie zeigt, dass das Virus 2005 mit Importen in den Westen der USA verschleppt wurde.
Was sollen die Rinder fressen?
Und wie so oft, machen solche Epidemien vor keinen Grenzen halt – zumal zusätzlich noch die sogenannte „industrialisierte“ Landwirtschaft der Normalfall in den Ländern ist. In der vorherrschenden Ödnis der Monokultur finden die Bienen kaum mehr natürliche Wiesenflächen. So gibt es auch „Kollateralschäden“: Kühe zum Beispiel fressen Wiesenpflanzen wie Luzine, die auch von Bienen bestäubt wird.
„Suche Wiese“
So gehen immer mehr Imker mit ihren Bienenvölkern „wandern“. Aber da liegt die Crux: Durch das Herumziehen tragen sie zu weiterer Verbreitung bei. Ohnehin liegt es im Wesen des Summtierchens, dass stärkere Bienenvölker die schwächeren ausrauben. Wird ein Bienenvolk von der Varroa- oder IAPV-Milbe geschwächt, kann es sich gegen die Angreifer nicht verteidigen und steckt sie auch noch an.
Globale Seuche
„Das Bienensterben ist zwar nicht großflächig, aber wir kennen Gegenden, in denen mehr als die Hälfte der vorhandenen Bienenvölker ausgestorben sind“, sagt auch Ludek Sojka, Vorsitzender des Bundes der tschechischen Imker. Denn im Nachbarland Tschechien wird genauso mit dem Problem des Bienensterbens gekämpft wie in Spanien, den Niederlanden oder Frankreich. Die österreichische Imkerin Heidrun Luftensteiner-Singer ist der Ansicht, dass die Belastung der Umwelt mit Chemikalien die Katastrophe ausmache. „Bienen brauchen einen Biogarten“, meint sie. Viele ihrer Kollegen sind auch der Überzeugung, die gentechnisch veränderten Pflanzen seien für die Bienen „Gift“.
Kein Nachwuchs, nirgends
Gegen den Varroa- oder IAPV-Prasiten gibt es zwar Schutzmaßnahmen wie die rechtzeitige Drohnenbrutentnahme im Frühjahr oder die Spezialbehandlung mit Ameisensäure oder Thymol. Aber immer noch würden viele Bienenzüchter solche Schritte ignorieren und die Folgen unterschätzen, bemängelt Sojka. Bienenzüchterin Luftensteiner-Singer beklagt neben dem Bienensterben auch das allgemeine Desinteresse an der Imkerei überhaupt. Denn nur die Imker können die Bienen betreuen, aber: „Die Imkerei ist eine reine Männerdomäne. Zudem liegt das Durchschnittsalter der Herren bei 65 Jahren“.
Ein Fingerzeig der Natur
Der Bienenvölkertod bedeute eine „allgemeine Bedrohung der Lebensmittelversorgung“, warnen die Wissenschaftler. Ein Warnsignal der Natur ist es auf jeden Fall, denn die Biene ist ein hoch sensibles Insekt – ähnlich wie der Kanarienvogel, den früher Bergarbeiter mit unter Tage nahmen: Fiel der Vogel tot um, war das ein Zeichen für einen Gaseinbruch. Wie auch immer – vermutlich kommt bei dem rätselhaften Bienensterben vieles zusammen. „Stirbt die Biene“, soll Albert Einstein gesagt haben, „stirbt vier Jahre später auch der Mensch“. Soll sich ausgerechnet hier der geniale Ulmer geirrt haben?
/eg
Links zum Thema:
Bienen sterben weltweit ntv
Massenhaftes Bienensterben ORF 01/2011
Politiker wollen Insektensterben aufklären Peiner Zeitung 01/2011
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