
EWS-Flyer
Aus der Stromrebellin der Anfangstage ist die Geschäftsführerin eines funktionierenden Unternehmens mit bundesweiter Aufstellung geworden. Und das, obwohl sich Ursula Sladek und ihre Mitstreiter nach der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl lediglich für eine Zukunft ohne Atomstrom einsetzen wollten. Doch als sich der örtliche Energieversorger von Schönau im Schwarzwald gegen ihre Vorschläge sperrte, gingen sie aufs Ganze: Sie übernahmen das Netz selbst. Inzwischen verkauft die 65-jährige mit den Elektrizitätswerken Schönau (EWS) sauberen Strom an mehr als 100.000 Privathaushalte, Gewerbebetriebe und Industrieunternehmen bundesweit und unterstützt mit den Einnahmen unter anderem mehr als 1.000 Öko-Kleinkraftwerke in Deutschland.
„Eigentlich nicht sehr politisch“
Als Ursula und Michael Sladek nach dem Studium im nahen Freiburg in den Schwarzwald-Ort Schönau zogen, waren sie laut eigenen Aussagen politisch nicht besonders aktiv. Das änderte sich, als im April 1986 nach dem Tschernobyl-Desaster radioaktiver Regen den Garten des Paares mit seinen fünf Kindern versaute. Die Lehrerin und der Arzt gründeten mit Gleichgesinnten die Initiative „Eltern für eine atomfreie Zukunft“. Vom regionalen Versorger – Kraftübertragungswerke Rheinfelden (KWR) – verlangten sie, auf den Bezug von Strom aus AKWs zu verzichten und mit einem veränderten Tarifsystem Energiesparen zu belohnen, anstatt zu bestrafen. Doch sie stießen auf taube Ohren.
Der lange Kampf ums eigene Stromnetz
„Ich weiß heute gar nicht mehr, woher wir den Mut genommen haben, so eine verrückte Idee umzusetzen,“ sagt Ursula Sladek heute zu dem Einfall, die Verantwortung für die Energieversorgung des 2.500-Einwohner-Ortes selbst zu übernehmen. Viel Überzeugungsarbeit und zwei Bürgerentscheide waren notwendig, um die KWR von einem Wucherpreis abzubringen, einen Gemeinderatsbeschluss herbeizuführen und 1997 mit einer sechs Jahre zuvor gegründeten Gesellschaft als „erster Netzbetreiber aus der Anti-Atom-Bewegung“ die Stromversorgung in Schönau zu übernehmen.
„Schöpfungsfenster“ auf dem Kirchendach
Inzwischen hat das Unternehmen mit seinen rund 24 Millionen Euro Umsatz im vergangenen Jahr 25 Mitarbeiter – knapp zwei Drittel davon Frauen. Vor drei Jahren wurde ein neues Firmengebäude mit Photovoltaikanlage und Blockheizkraftwerk bezogen. Auch sonst wurde in der Schwarzwaldgemeinde die Wende zur alternativen Energie vollzogen. Symbol ist das Solardach der evangelischen Kirche, das seit 1999 Sonnenstrom liefert und „Schöpfungsfenster“ genannt wird.
Jeder kann Kunde werden
Längst ist der Horizont der EWS aber über die „Solarhauptstadt in Deutschland” hinausgewachsen, wie sich Schönau auf einem Schild am Ortseingang stolz bezeichnet. EWS-Kunde kann in Deutschland jeder werden – und pro Woche machen 100 bis 200 Bundesbürger vom garantiert atomstromfreien Angebot Gebrauch. Um das Prinzip zu erklären, greift Ursula Sladek zu einem Bild: „Stellen Sie sich einfach vor, das Stromnetz wäre ein See voll Wasser.“ Mit dem Wechsel des Stromanbieters könne man mitentscheiden, welche Erzeuger Wasser in den See schütten dürfen. „Das Wasser im See ist derzeit sehr schmutzig. Doch je mehr Menschen bestimmen, dass für sie sauberes Wasser eingespeist werden soll, desto klarer wird es.“
„Watt ihr Volt“ – Unterstützung für „Rebellenkraftwerke“
Allerdings geht die EWS noch weiter. Mit dem Projekt Watt ihr Volt wird gefördert, was die EWS-Geschäftsführerin „Rebellenkraftwerke“ nennt. Gemeint sind kleinere Energieproduzenten bis hin zu Restaurants oder Schulen, die sich mit Solaranlagen oder Biogas versorgen. Inzwischen liefern laut EWS 1.005 solcher mit dem Programm unterstützen Kleinkraftwerke sauberen Strom für rund 7.500 Haushalte.
„Ökologische Energiepolitik ist dezentral“
Unterstützen kann die Umleitung der Geldströme von den Strom-Oligopolen zu den kleinen Erzeugern jeder – ob er nun beim Strombezug über die EWS einen „Sonnencent“ abführt oder als Nicht-Kunde einen „Watt ihr Volt“-Vertrag schließt. Denn Ursula Sladeks Resümee muss jedem einleuchten, der die Wende zur regenerativen Stromerzeugung mittragen will: „Eine umweltfreundliche Energiepolitik ist dezentral. Diese Strukturen stärken wir und arbeiten so auf eine Demokratisierung der Energiewirtschaft hin.“
Der ursprüngliche Beitrag über die Elektrizitätswerke Schönau wurde von Ulrich Glauber vefasst
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