
Quelle: photocase; Foto: Schneekind
Zu Guttenberg, Koch-Mehrin, Chatzimakarkis erschleichen sich Doktortitel. Petition zum Thema Abgeordnetenbestechung wird ohne Grund abgelehnt. Braucht es also einen Ehrenkodex, auch wenn der Präsident des Deutschen Bundestags anderer Meinung ist? Oder sind solche Dinge einfach Kollateralschäden der Politik?
Eine kurze Geschichte zum öffentlichen Ansehen von Politikern:
Februar 2008 – Welt online – „Stimmungswandel – Ansehen der Politiker so schlecht wie noch nie“; Juni 2009 – Bonner General Anzeiger – „Politik und Glaubwürdigkeit – Unsouverän“; Juni 2010 – Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) – „Studie zum Vertrauen der Bürger in verschiedene Berufsgruppen und Organisationen > Politiker auf dem letzten Platz“; März 2011 – Berliner Morgenpost – (weil’s so schön ist) „Alt-Kanzler Schröder vermisst Glaubwürdigkeit der Politik“.
Trotz solcher Schlagzeilen werden Ereignisse wie zu zu Guttenbergs Schwindel um die Doktorarbeit oder Brüderles Eiertanz um seine Aussage zum Atomkraft-Moratorium in einer Form diskutiert, die zunächst einmal Konsequenzen für diejenigen fordert, die einen Sachverhalt bekannt gemacht haben, nicht für die, die das faule Ei gelegt haben. So musste beim BDI Werner Schnappauf das vollziehen, was eigentlich Brüderle oblag: Zurück zu treten!
Wir meinen, dass es nach den Vorkommnissen der letzten Monate an der Zeit ist, einen Gedanken aufzugreifen, den die ehemalige Bundestagsvizepräsidentin Susanne Kastner bereits im Jahr 2006 in einem Interview mit Deutschlandradio darstellte: Die Schaffung eines Ehrenkodex für Abgeordnete. Dieser sollte sich damals zwar auf die Nebentätigkeiten von Abgeordneten beziehen, es dürfte aber kein Hindernis darstellen, einen solchen Kodex weiter zu fassen und auch Sanktionen für den Fall eines „fragwürdigen Umgangs mit der Wahrheit“ einzubeziehen und seine Anwendung auch auf das Verhalten von Ministern auszudehnen.
Erste Anfragen in dieser Richtung hatten wir bereits im Zusammenhang mit der Causa zu Guttenberg an den Deutschen Ethikrat (wann endet für einen Politiker der Irrtum und beginnt der Betrug?) und an den Präsidenten des Deutschen Bundestags (Ist es nicht an der Zeit, einen Ehrenkodex für Abgeordnete und Minister zu erarbeiten?) gerichtet.
Während wir auf eine Antwort des Bundestagspräsidenten noch warten, beschied uns der Ethikrat in Person von Dr. Joachim Vetter in seiner Antwort, dass „das individuelle Verhalten von Menschen und insbesondere eine Bewertung, ob es „richtig“ oder „falsch“ oder gar gesetzeswidrig ist, kein Bereich ist, über den der Ethikrat zu befinden hätte und zu dem er sich daher weder im Fall zu Guttenbergs noch in anderen Fällen äußern wird.“
Gleichzeitig mit der Zurückweisung der Bitte um eine Beurteilung der Causa zu Guttenberg erläuterte Dr. Vetter jedoch auch die Aufgabenstellung des Ethikrates. Diese umfasst insbesondere Themen „von gesellschaftlicher Relevanz“ und ein daraus folgender „eventuell erforderlicher gesetzgeberischer Handlungsbedarf“. Eine Beauftragung des Ethikrates kann nur durch die Bundesregierung oder den Deutschen Bundestag erfolgen. Ansonsten wählt der Ethikrat als vom Gesetz her unabhängiges Gremium die Themen seiner Stellungnahmen selbst aus.
Die Glaubwürdigkeit von Politikern wird von den unterschiedlichsten gesellschaftlichen Gruppierungen als eine der wesentlichen Grundlagen für eine funktionierende demokratische Gesellschaft gesehen. Und trotzdem ist es just die Glaubwürdigkeit, die immer und immer wieder in Frage gestellt wird oder werden muss. Besonders deshalb, weil die Betroffenen meist dem Versuch des „Aussitzens“ gegenüber einer schmerzlichen Wahrheit den Vorzug geben.
Jetzt haben wir die Antwort aus dem Büro des Bundestagspräsidenten vorliegen. Auf unsere Bitte an den Bundestagspräsidenten, er möge im Bundestag eine Diskussion über die Einführung eines Ehrenkodex für Abgeordnete und Mitglieder der Bundesregierung eröffnen, lässt dieser uns mitteilen:
„Der Präsident hat Ihr Schreiben mit Interesse gelesen und dankt Ihnen für Ihr Engagement. Er möchte Ihrer Bitte aber nicht entsprechen.“
Es wird also auch in Zukunft „rumeiern“, „aussitzen“, „Schuld verschieben“ und andere bewährte Verteidigungs- und Verdrängungsstrategien geben, wenn ein Politiker – Abgeordnete oder Minister – unhaltbare Aussagen tätigt und/oder Handlungen vollbringt, die eines gewählten Volksvertreters nicht würdig sind.
Das ist nicht schön, denn „Normalbürger“ müssen in vergleichbaren Situationen mit Konsequenzen und Sanktionen rechnen.
Links zum Thema:
Die Ehre der Politik – Ehrenkodex für Ratsherren der Stadt Hannover ZEIT-online
Ehrenkodex für Politiker gefordert Berliner Zeitung
Per Ehrenkodex in die Business-Class FAZ.net
Freiwilliger Ehrenkodex geplant Lobby Control (2006!)
Und ein Beispiel dafür, dass selbst das noch missbraucht werden kann:
Ehrenkodex, Verpflichtungserklärungen, Fairneßregeln abgeordnetenwatch
[asa]3940086878[/asa]
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