
Quelle: photocase; Foto: Seleneos
Mit seiner Rücktrittserklärung vom Amt des Bundesverteidigungsministers hat Karl-Theodor zu Guttenberg ein weiteres Mal Zeugnis von der Zwiespältigkeit seiner Person abgelegt. Er beklagt die mediale Wucht, die ihn in den letzten Tagen und Wochen unter enormen Druck gesetzt hat. Die gleiche Wucht, die ihn in den letzten Jahren an die Spitze der Beliebtheitsskala der Politiker getragen hat. Er inszeniert sich als Opfer der Medien, wiewohl er ein sehr talentierter Nutzer medialer Macht war.
Als Beispiel hierfür mag seine enge Verbindung zur Bild-Zeitung, die ihn als Macher-Minister inszenierte und seine Frau, die “schöne Stephanie” (Original-Ton Bild), als die “weibliche Glanztönung” öffentlicher Veranstaltungen dienen. Guttenberg und die Bild-Zeitung (Frankfurter Rundschau)
So ist es auch die Bild-Zeitung, die als Erste die vollständige Rücktrittserklärung im Wortlaut veröffentlicht:
„Ich habe die Bundeskanzlerin in einem freundschaftlichen Gespräch informiert, dass ich mich von meinen politischen Ämtern zurückziehen werde – und um meine Entlassung gebeten. Es ist der schmerzlichste Schritt meines Lebens.
Ich gehe ihn nicht allein wegen meiner so fehlerhaften Doktorarbeit – wiewohl ich verstehe, dass dies für große Teile der Wissenschaft ein Anlass wäre. Der Grund liegt im Besonderen in der Frage, ob ich den höchsten Ansprüchen, die ich selbst an meine Verantwortung anlege, noch nachkommen kann. Ich trage bis zur Stunde Verantwortung in einem fordernden Amt.
Verantwortung, die möglichst ungeteilte Konzentration und fehlerfreie Arbeit verlangt: Mit Blick auf die größte Bundeswehrreform in ihrer Geschichte, die ich angestoßen habe und mit Blick auf eine gestärkte Bundeswehr mit großartigen Truppen im Einsatz, die mir engstens ans Herz gewachsen sind.
Wenn allerdings – wie in den letzten Wochen geschehen – die öffentliche und mediale Betrachtung fast ausschließlich auf die Person zu Guttenberg und seine Dissertation statt beispielsweise auf den Tod und die Verwundung von 13 Soldaten abzielt, so findet eine dramatische Verschiebung der Aufmerksamkeit zu Lasten der mir Anvertrauten statt. Unter umgekehrten Vorzeichen gilt Gleiches für den Umstand, dass wochenlang meine Maßnahmen bezüglich der Gorch Fock die weltbewegenden Ereignisse in Nordafrika zu überlagern schienen.
Wenn es auf dem Rücken der Soldaten nur noch um meine Person gehen soll, kann ich dies nicht mehr verantworten.
Und deswegen ziehe ich – da das Amt, die Bundeswehr, die Wissenschaft und auch die mich tragenden Parteien Schaden zu nehmen drohen – die Konsequenz, die ich auch von anderen verlangt habe und verlangt hätte.
Ich habe, wie jeder andere auch, zu meinen Schwächen und Fehlern zu stehen. Zu großen und kleinen im politischen Handeln bis hin zum Schreiben meiner Doktorarbeit. Und mir war immer wichtig, diese vor der Öffentlichkeit nicht zu verbergen. Deswegen habe ich mich aufrichtig bei all jenen entschuldigt, die ich aufgrund meiner Fehler und Versäumnisse verletzt habe und wiederhole dies auch ausdrücklich heute.
Manche mögen sich fragen, weshalb ich erst heute zurücktrete. Zunächst ein möglicherweise für manche unbefriedigender, aber allzu menschlicher Grund. Wohl niemand wird leicht geschweige denn leichtfertig das Amt aufgeben wollen, an dem das ganze Herzblut hängt. Ein Amt, das Verantwortung für viele Menschen und deren Leben beinhaltet.
Hinzu kommt der Umstand, dass ich mir für eine Entscheidung dieser Tragweite – jenseits der hohen medialen und oppositionellen Taktfrequenz – die gebotene Zeit zu nehmen hatte. Zumal Vorgänge in Rede stehen, die Jahre vor meiner Amtsübernahme lagen.
Nachdem dieser Tage viel über Anstand diskutiert wurde, war es für mich gerade eine Frage des Anstandes, zunächst die drei gefallenen Soldaten mit Würde zu Grabe zu tragen und nicht erneut ihr Gedenken durch Debatten über meine Person überlagern zu lassen. Es war auch ein Gebot der Verantwortung gegenüber diesen, ja gegenüber allen Soldaten.
Und es gehört sich, ein weitgehend bestelltes Haus zu hinterlassen, weshalb letzte Woche noch einmal viel Kraft auf den nächsten, entscheidenden Reformschritt verwandt wurde, der nun von meinem Nachfolger bestens vorbereitet verabschiedet werden kann. Das Konzept der Reform steht.
Angesichts massiver Vorwürfe bezüglich meiner Glaubwürdigkeit ist es mir auch ein aufrichtiges Anliegen, mich an der Klärung der Fragen hinsichtlich meiner Dissertation zu beteiligen. Zum einen gegenüber der Universität Bayreuth, wo ich mit der Bitte um Rücknahme des Doktortitels bereits Konsequenzen gezogen habe.
Zum anderen habe ich zugleich Respekt vor all jenen, die die Vorgänge zudem strafrechtlich überprüft sehen wollen. Es würde daher nach meiner Überzeugung im öffentlichen wie in meinem eigenen Interesse liegen, wenn auch die staatsanwaltlichen Ermittlungen etwa bezüglich urheberrechtlicher Fragen nach Aufhebung der parlamentarischen Immunität – sollte dies noch erforderlich sein – zeitnah geführt werden könnten.
Die enorme Wucht des medialen Betrachtens meiner Person – zu der ich selbst viel beigetragen habe – aber auch die Qualität der Auseinandersetzung bleiben nicht ohne Wirkung auf mich selbst und meine Familie.
Es ist bekannt, dass die Mechanismen im politischen und medialen Geschäft zerstörerisch sein können. Wer sich für die Politik entscheidet, darf – wenn dem so ist – kein Mitleid erwarten. Das würde ich auch nicht in Anspruch nehmen. Ich darf auch nicht den „Respekt“ erwarten, mit dem Rücktrittsentscheidungen so häufig entgegengenommen werden.
Nun wird es vielleicht heißen, der Guttenberg ist den Kräften der Politik nicht gewachsen. Das mag sein oder nicht sein. Wenn ich es aber nur wäre, indem ich meinen Charakter veränderte, dann müsste ich gerade deswegen handeln.
Ich danke von ganzem Herzen der großen Mehrheit der Deutschen Bevölkerung, den vielen Mitgliedern der Union, meinem Parteivorsitzenden und insbesondere den Soldatinnen und Soldaten, die mir bis heute den Rücken stärkten, als Bundesminister der Verteidigung nicht zurück zu treten. Ich danke besonders der Frau Bundeskanzlerin für alle erfahrene Unterstützung und ihr großes Vertrauen und Verständnis.
Es ist mir aber nicht mehr möglich, den in mich gesetzten Erwartungen mit dem mir notwendigen Maß an Unabhängigkeit in der Verantwortung gerecht zu werden. Insofern gebe ich meinen Gegnern gerne Recht, dass ich tatsächlich nicht zum Selbstverteidigungs-, sondern zum Minister der Verteidigung berufen wurde.
Abschließend ein Satz, der für einen Politiker ungewöhnlich klingen mag: Ich war immer bereit zu kämpfen, aber ich habe die Grenzen meiner Kräfte erreicht. Vielen Dank!“
Quelle: Bild.de
Was bedeutet der Rücktritt zu Guttenbergs für die deutsche Politik?
Ganz klar einen Verlust! Einen Verlust, der leider notwendig und unausweichlich war.
Leider, weil er kraft seiner Persönlichkeit ein neues Bild vom Politiker geprägt hat. Waren Politiker bis zu seinem Auftreten ein Bodenfeuerwerk, dann hat er mit seinem Auftritt die Epoche des Höhenfeuerwerks in der deutschen Politik eingeleitet. Alert, rhetorisch gewandt, intelligent und scharfsinnig ging er seine Aufgaben an. Vor allem jedoch, weil er das Bild der Politiker bei der Bevölkerung verändert hat.
Unausweichlich, weil er mit seiner plagiierten Dissertation wichtige Werte unserer Gesellschaft missachtet und gegen sie verstoßen hat. Glaubwürdigkeit, Wahrhaftigkeit, Verlässlichkeit, Charakterstärke, Respekt vor den Leistungen anderer. Werte, die für einen Politiker das Maß allen Handelns sein müssen. Unausweichlich also, weil der den von ihm vermittelten Eindruck nicht mit der erforderlichen Substanz auffüllen, die selbstgesetzten Maßstäbe nicht erfüllen konnte.
Die Vorgeschichte:
Auch wenn KTzG der Bundeskanzlerin (zur Zeit noch) als Verteidigungsminister unabkömmlich scheint und die Diskussion um seinen Doktortitel (offener Brief an die Bundeskanzlerin) für einige Menschen nichts weiter als eine Petitesse zu sein scheint, so gibt es doch einige Aspekte, die im Interesse von Werten wie z.B. Glaubwürdigkeit, Vertrauen oder Respekt geklärt werden sollen.
Dass die Bild fragen lässt, ob „wir keine anderen Probleme haben“ und F.J. Wagner, der begnadete Kolumnist der Bild gar rät „Scheiß auf den Doktor“ ist nicht weiter verwunderlich. Zu klären bleibt, wann für einen amtierenden Politiker der Irrtum endet und der Betrug anfängt und ob zukünftig jeder Bürger falsche eidesstattliche Erklärungen abgeben kann, ohne dass dies ernsthafte Konsequenzen hat.
Dass sich aber abzeichnet, dass vor dem (Grund-)gesetz möglicherweise einige Mächtige gleicher sind als der normale Bürger, das sollte uns zu denken geben. In der Vergangenheit wurde im Rahmen von Boni-Zahlungen an Banker viel von Elite und Verantwortung gesprochen. Gilt das für unsere Politiker nicht?
Ist es eventuell an der Zeit, einen Ehrenkodex (der bereits 2006 von der damaligen Bundestagsvizepräsidentin Susanne Kastner ins Gespräch gebracht wurde) inklusive eines Sanktionskatalogs für Abgeordnete und Minister auszuarbeiten?
KT und das Ehrenwort
Ist eine ehrenwörtliche Erklärung einem Ehrenwort gleich zu setzen? Ja oder nein?
Protokoll der Fragestunde, Deutscher Bundestag
17. Wahlperiode – 92. Sitzung.
Berlin, Mittwoch den 23.02.2011, Seite 10363
Es fragt der SPD-Abgeordnete Dr. Hans-Peter Bartels
Weiterhin scheint es uns interessant zu hinterfragen, nach welchen Sorgfaltskriterien eine Auszeichnung wie “summa cum laude” vergeben wird. Sollten diese nicht ausreichend sein, wird doch die neu geschaffene Exzellenzinitiative für Universitäten aus sich selbst heraus ad absurdum geführt.
Und schließlich gilt es die Frage zu klären, ob die “einfache Rückgabe” eines Doktortitels überhaupt möglich ist. Im Augenblick scheint es so zu sein, dass Herr zu Guttenberg davon ausgeht, dass die Rückgabe des Doktortitels mit einem Brief an die Universität Bayreuth “mal so eben” erledigt werden könne. Das sieht jedoch das bayerische Hochschulgesetz nicht vor. Artikel 69 kennt nur die Entziehung durch die Hochschule. Von einer Rückgabe ist dort nicht die Rede. Oder können in Zukunft Doktoranden, denen nachgewiesen wird, dass sie ohne die Zitierungsregeln zu beachten, abgeschrieben haben, an jeder Uni einfach ihren Titel zurückgeben und das war`s dann?
Wir fragen …
Wann endet für einen amtierenden Politiker der Irrtum und wann beginnt der Betrug? Was ist bei einem Politiker wichtiger? Ein (scheinbar) funktionierender Manager zu sein, oder Glaubwürdigkeit und Vertrauen?
… den Präsidenten des Deutschen Bundestags:
Ist es nicht an der Zeit, einen Ehrenkodex für Abgeordnete und Minister zu erarbeiten und zur Grundlage der Beurteilung von zweifelhaften Handlungen und Aussagen zu machen?
… die Bundesbildungsministerin:
Müssen nach den Erfahrungen mit dem “summa cum laude’” für die Dissertation des Bundesverteidigungsministers nicht die Regeln für die Erteilung einer solchen Auszeichnung überprüft werden?
Wir halten die Beantwortung dieser Fragen, vor allem aber die zwingenderweise nötigen Konsequenzen, für unausweichlich. Wie wollen wir sonst unseren Kindern erklären, wo die von allen zu respektierenden Grenzen zwischen “erlaubt” und “verboten” verlaufen? Oder gibt es zweierlei Maß – denn, was würde einem unbekannten Doktoranden passieren, dem ähnliches “passiert”?
Aktuelles:
Der Abgeordnete Thomae leitet den Schwenk der FDP ein!
Links zum Thema:
Guttenbergs Rückgabe von Doktortitel nur eine Geste Neue Züricher Zeitung
Fall Guttenberg: Stellungnahmen der Uni Bayreuth merkur-online.de
Gedanken zum Plagiat v. Maria Pruckner