Auch, wenn der Bundesaußenminister und Parteivorsitzende der FDP, Guido Westerwelle, immer noch der Meinung ist, dass ein „nein“ zum Großprojekt der Bahn (ist es eigentlich noch ein Projekt der Bahn?) gleichbedeutend damit wäre, dass in Deutschland „nichts mehr geht“ und von der „Pflicht des Rechtsstaats“ zur „Durchsetzung“ von Entscheidungen spricht – es scheint berechtigte Zweifel an der Sinnhaftigkeit des Plans für den unterirdischen Bahnhof zu geben.
Der Ministerpräsident von Baden-Württemberg ist laut einer Meldung des Deutschlandfunks bereit, „über kleine architektonische Änderungen mit sich reden zu lassen“ aber, es soll ihm dann niemand vorwerfen, „dass alles etwas teurer wird“.
Diskutiert wird darüber, ob Stuttgarts Bahnhof „unter die Erde geht“ oder nicht. Was bedeutet in diesem Zusammenhang „kleine architektonische Änderungen“? Ob die Düfte Arabiens den Herrscher aller Schwaben verwirrt haben?
Und ganz so wichtig scheint die Durchsetzung des Projektes „Stuttgart 21“ für die Politik (oder die Politiker) doch nicht zu sein, wenn einer der glühendsten Vertreter des Projektes, der baden-württembergische Ministerpräsident Mappus, auf einem Höhepunkt der Diskussion eine Reise nach Saudi-Arabien dieser Diskussion vorzieht (Bild 08.10.2010). Geht es in der Diskussion also doch um etwas anderes? Oder flüchtet er einfach nur vor dem „wilden Alten der CDU“, vor Heiner Geißler?
Berichtigung: Ministerpräsident Mappus hat die Reise nach Saudi-Arabien verschoben! Er flieht also nicht vor Heiner Geißler!
Wie auch immer – aus einem einzelnen Großprojekt der Bahn sind inzwischen drei „Großprojekte“ der bundesdeutschen Öffentlichkeit geworden:
- Braucht Stuttgart, braucht Baden-Württemberg, braucht Deutschland einen neuen unterirdischen Bahnhof?
- Ist es legitim, dass die Bürger ein Projekt in Frage stellen oder gar ablehnen, dessen Basisberechnungen zum Zeitpunkt des ersten Spatenstichs 15 Jahre alt sind? Und bei dem außerdem neuere Erkenntnisse berechtigte Zweifel an der Sinnhaftigkeit aufkommen lassen?
- Müssen Deutschlands Politiker erkennen, dass sie sich ein neues Volk suchen müssen, wenn sie so weitermachen wollen wie bisher?
Einen Hinweis darauf, wie die Antworten auf diese Fragen lauten können, geben die aktuellen Umfrageergebnisse des ARD-Deutschlandtrends:
Was sagen Sie zum Projekt „Stuttgart 21“?
Aussagen zu „Stuttgart 21“
80 % der Befragten erklärten: „Wichtige Entscheidungen werden bei uns getroffen, ohne dass die Interessen der Menschen wirklich berücksichtigt werden“. Und sogar 85 % sagen: „Die meisten Politiker wissen nicht, was im wirklichen Leben los ist“.
94 % der Befragten halten es für richtig und wichtig, dass die Bürger auf die Straße gehen, damit die Politik ihre Meinung zur Kenntnis nimmt. Ein Wert, der sonst nur bei der Frage nach der Bekanntheit von Franz Beckenbauer erreicht wird.
Hier geht’s zum Deutschlandtrend total.
Reduziert man dieses Gesamtbild wieder auf das Ursprungsthema, die Frage nach dem Umbau des Stuttgarter Hauptbahnhofs, dann ist nur zu wünschen, dass es Heiner Geißler gelingen möge, eine Situation herbeizuführen, in der – ohne überflüssige Emotionen und gegenseitige Verunglimpfung – sachlich das Für und Wider auf der Basis des Wissens von heute diskutiert wird.
Ein Beispiel dafür, wie eine solche Diskussion aussehen könnte, liefert ein Interview, dass der Deutschlandfunk mit Professor Christian Böttger, Hochschule für Technik und Wirtschaft in Berlin, führte. Professor Böttger ist Verkehrsökonom und war bereits mehrfach als Gutachter bei Verkehrsprojekten, speziell Eisenbahnprojekten, tätig. Er beurteilt, ob Eisenbahn-Infrastrukturmaßnahmen sinnvoll und notwendig sind und ob eine vernünftige Kosten/Nutzenrelation besteht.
Gefragt zur Bedeutung von „Stuttgart 21“ bestätigt er einen Teil der Argumente der Befürworter, teilt jedoch nicht deren Meinung, dass ein Kopfbahnhof nicht mehr den Anforderungen der Jetzt-Zeit genügen kann. „Ein Kopfbahnhof ist nicht das, wovon ein Eisenbahnbetriebler träumt, es ist aber auch nicht so, dass man von vornherein sagen muss, ein Kopfbahnhof ist per se schlecht.“
Das zentrale Problem des Projekts „Stuttgart 21“ sieht er darin, dass es in der Prioritätenliste wichtiger Verkehrsinfrastrukturmaßnahmen viel zu weit oben steht. „Wir haben momentan ganz dringende Probleme bei der Verkehrsinfrastruktur in Deutschland. Es geht darum , dass wir an vielen Stellen – gerade im Güterverkehr – die Leistungen, die prognostiziert werden, nicht mehr werden abfahren können und es wird jetzt also ein Projekt gemacht, dass bei ernsthafter Betrachtung, also dem großräumigen Verkehr, recht wenig nützt. Und dafür werden diese 4 Milliarden ausgegeben, die an anderer Stelle weiß Gott dringender gebraucht werden würden.“
Frage des Moderators: „Würden Sie so weit gehen und sagen, Stuttgart 21 ist verkehrspolitisch unsinnig?“
Die Antwort auf diese Frage sollten Sie sich beim Deutschlandfunk anhören!
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