Was wurde aus der Petition “Kinderlärm – Weg mit den Klagen gegen Kindergärten” vom 30.04.2009?
Unter der Überschrift Störfall Kind (Teil 1;Teil 2; Teil 3; Teil 4) berichtet der Stern in der Ausgabe vom 15.07.2010 – wieder einmal – darüber, dass Deutschland mehr für Kinder tun will. Und darüber, dass viele Große da nicht mitmachen wollen. Und darüber, dass weiterhin gegen Kitas und Kindergärten, gegen Spielplätze und Horte geklagt wird.
Der Stern greift damit ein Thema auf, das die deutsche Öffentlichkeit seit Jahren in regelmäßigen Abständen beschäftigt – ohne dass sich an dem Problem etas ändert. Einige Beispiele aus der Vergangenheit: Spiegel TV vom 06.03.2003; der ehemalige Bundespräsident Horst Köhler in seiner Antrittsrede am 1.Juli 2004; und auch das gab es schon: “Schule abgebrannt“, 15.07.2008, Der Tagesspiegel Brandenburg.
Es gibt also eine deutsche Tradition im Umgang mit Kindern im öffentlichen Raum, die sich am besten so beschreiben läßt: “Kinderlärm ist Zukunftsmusik – aber bitte nicht in der direkten Nachbarschaft.”
Und so, wie in regelmäßigen Abständen über die Klagen gegen spielende Kinder berichtet wird, so wird auch in der Politik immer wieder davon gesprochen, dass “Kinder eine Berreicherung sind, nicht nur für die Eltern, sondern für die ganze Gesellschaft” (Iris Gleicke, SPD in der 58. Sitzung des Deutschen Bundestags am 30.September 1999) oder “Entscheidend sind die individuellen Einstellungen der Menschen: der Arbeitgeber und der Personalchefs, die Schwangerschaften und Elternzeiten als etwas Selbstverständliches begreifen; der Nachbarn, die sich bei Kinderlärm nicht nach Friedhofsruhe sehnen;” (Klaus Haupt, FDP, 172.Sitzung des Deutschen Bundestags, 21.April 2005).
„Kinderlärm ist Zukunftsmusik.“ – ein beliebter Satz bei deutschen Politikernn. Nur ein Lippenbekenntnis?
Erfunden und in den parlamentarischen Sprachgebrauch eingeführt wurde er im Jahr 2001 von der FDP-Abgeordneten Ina Lenke . Ebenfalls verwendet wurde der wohlklingende Satz von Dr. Hermann Kues, CDU/CSU, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend in der 82. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. März 2007. Bereits 2006 hörte Michaela Noll, Abgeordnete der CDU und Vorsitzende der Kinderkommission des Bundestags die Zukunftsmusik aus Kinderlärm. Und auch für die neue niedersächsische Ministerin für Soziales, Frauen, Familie, Gesellschaft und Integration, Aygül Özkan, ist Kinderlärm Zulunftsmusik. Für die SPD nutzt den Wohlklang René Röspel Für Bündnis 90/Die Grünenist es Miriam Staudte im niedersächsischen Landtag, die überzeugt ist, dass Kinderlärm Zukunftsmusik bedeutet.
Und auch im Jahr 2009 gab es eine starke Initiative zum Thema “Kinderlärm”. Im April 2009 wurde eine öffentliche Petition eingereicht, deren Ziel es war, die Klagemöglichkeiten gegen die Errichtung oder den Betrieb von Kindergärten etc. deutlich einzuschränken, im besten Fall ganz zu verhindern.
Zu dieser Petition passt der Antrag der FDP-Fraktion aus dem Januar 2009 “§ 3 BauNVO dahingehend zu ergänzen, dass Kindertageseinrichtungen auch in reinen Wohngebieten grundsätzlich zulässig sind, sofern sie vorwiegend der Betreuung von in diesem Wohngebiet lebenden Kindern dienen sollen.” Leider zeigt die Ablehnung dieses Antrags durch die Fraktionen der CDU/CSU und SPD, dass auch große gesellschaftspolitische Zukunftsthemen zu einem Zankobjekt der Parteien verkommen können. Keine Rede mehr von “Kinderlärm ist Zukunftsmusik”, dem Satz den die Vertreter aller Parteien so gerne nutzen um Kinderfreundlichkeit zu demonstrieren.
Leider ist bis jetzt noch keine konkrete Maßnahme zur Änderung der Gesetzeslage zu erkennen. Zwar wurde das Thema z.B. in der 43. Sitzung des Bundestags vom 20.Mai 2010 angesprochen, lief in der dazugehörigen Diskussion allerdings bereits wieder Gefahr verwässert zu werden, da es in einen Kontext mit Sport- und Bolzplätzen gestellt wurde.
Der aktuelle Stand zur behördlichen Bearbeitung der Rechtssituation für die Genehmigung, den Bau und Betrieb von Kindergärten, Kindertagesstätten etc. gibt am Besten die Bundestags Drucksache 17/1194 vom 24.03.2010 wieder.
Die Zahl der beteiligten Ministerien ( BuMi für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, BuMi für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, BuMi für Familie, Senioren, Frauen + Jugend) und die Tatsache, dass die Diskussionen um dieses Thema sich bereite über mehrere Legislaturperioden erstrecken , lassen es sinnvoll erscheinen, Parlament und Parteien erneut an die Dringlichkeit des Themas zu erinnern.
Wie schreibt der Stern? “Die Fakten sind hart für Deutschlands Kinder. Sie sind hart für Deutschlands Eltern und sie werden hart für die Zukunft des ganzen Landes. Je weniger Kinder geboren werden, je schneller die Bevölkerung altert, desto stärker werden die Bedürfnisse von Kindern missachtet.” Dazu passt das Ergebnis einer Studie der Kinderhilfsorganisation Unicef, nach der sich ein großer Teil der 15-jährigen ind Deutschland als “Außenseiter” fühlt, “unbehaglich” und “fehl am Platz”.
In einer Anfrage an die beteiligten Ministerien werden wir versuchen einen Zeitplan für die jeweils in diesen Ministerien erforderlichen Arbeiten zu erfahren. Für diese Aktion werden wir die Kinderkommission im Deutschen Bundestag um Unterstützung bitten.
Interessante Links zum Thema:
Großeltern oder Kinderkrippe - Kinderbetreuung im europäischen Vergleich
Und raus bist Du – ZEIT online 01.07.2010
ENMCR – European Network of Masters in Children’s Rights
Kinderkommission des Deutschen Bundestags – Arbeitsprogramm
Weitere Artikel zum Thema:
…und schon wieder beginnt es mit klein-klein
Keine TA-Lärm für Kinder – Petition