Die neue Lobbykratie
Beide Personalia wie auch die Spenden offenbaren eine Entwicklung, die sich seit Jahren vollzieht. Die einstigen Grenzen zwischen Politik und Wirtschaft verschwimmen immer mehr und lösen sich letztlich auf. Sowohl Weber als auch Hennenhöfer kommen dem politischen Betrieb und fingen dann ohne Karenzzeit in der Wirtschaft an. Jetzt wechseln sie wieder in die Politik.
Schauen wir zurück: Schon in den50er und 60er Jahren begannen die aus den Ruinen des „Dritten Reichs“ auferstandenen deutschen Großkonzerne damit, massiven Einfluss auf den – jetzt demokratisch verfassten Staat zu nehmen. Von Anfang an entwickelte die Bonner Republik eine „Herrschaft der Verbände“ (Theodor Eschenburg), wobei auf der einen Seite Gewerkschaften, auf der anderen Seite Großkonzerne ihre Interessen bündelten und auf vielfältige Art und Weise in den Hinterzimmern der Macht geltend machten.
Das moderne Wort „Lobbying“ existierte zwar noch nicht, wohl aber das Lobbying selbst. Schon damals versuchten Verbände nicht nur, ihre Interessen in der Ministerialbürokratie durchzusetzen, sondern auch ein Wort mitzureden, wenn es darum ging, sich den ein oder anderen einflussreichen politischen Posten zu angeln.
Allerdings galt die institutionelle Trennung von Wirtschaft und Staat als – wen auch etwas scheinheiliger – Konsens. Versuche etwa des legendären sozialdemokratischen Wirtschaftsministers Karl Schiller, mit seiner „Konzertierten Aktion“ Wirtschaft, Gewerkschaften und Politik zu einem gemeinsamen Programm zu verpflichten, passten damals insbesondere den Vertretern der Großindustrie nicht in den Kram. Man wollte sich nicht vereinnahmen lassen von der Politik. Der damalige Hauptgeschäftsführer des BDI, Siegfried Mann, argumentierte wie folgt: „Nichts widerspricht dem Rollenverständnis des von unternehmerischem Selbstbewusstsein geprägten Industrie-Spitzenverbands mehr als Autonomieverlust und Verwischung von Verantwortung. Das gilt vor allem im Verhältnis zum Staat.“
Bis Ende der 90er Jahre herrschte auf diese Weise noch eine relativ gediegene Ordnung im Land der deutschen Lobbyisten. Wer die Seiten wechselte – von der Wirtschaft in ein Bundesministerium – der wurde auch vom Ministerium bezahlt. Und vor allem: Der Wechsel fand in aller Öffentlichkeit statt. Die reagierte dann auch allergisch, wenn beim Wechsel in umgekehrter Richtung nicht alles mit rechten Dingen zuging. Man erinnere sich nur an den Fall des FDP-Politikers Manfred Bangemann, der zunächst als deutscher EU-Kommissar zuständig für die Deregulierung der Kommunikationsbranche war und direkt nach seinem Ausscheiden einen hoch dotierten Posten bei einem der weltgrößten Telekommunikationskonzerne, nämlich der spanischen Telefonica ergatterte. Damals flogen dem rundlichen Wirtschaftspolitiker die Negativschlagzeilen nur so um die Ohren.
Kurzum: Die Fallhöhe solcher Skandale, so scheint es, war weit höher als heute.
Diesen Artikel veröffentlichen wir mit freundlicher Genehmigung von Kim Otto.
Der Artikel erschien in “Blätter für deutsche und internationale Politik” Ausg. 3/2010
Teil 3 des Beitrags – Rot/Grün – die große Zäsur erscheint morgen!
Interessante Links zum Thema:
Lobbyismus: Geld für gute Worte. DIE ZEIT
LOBBY CONTROL Aktiv für Transparenz und Demokratie