Die Lebensmittelampel –
vom Verbraucher gewünscht – von der Politik verhindert?
03. Dezember 2009 | von Dieter Klemke | Kategorie: Politik

Im Verkehr ist die Ampel mit Ihrer rot-gelb-grün Einteilung ein von allen akzeptiertes Signal. So sehr akzeptiert und von klein auf gelernt, dass die Bedeutung der Ampelfarben: Rot für Stop, Gelb für Achtung und Grün für Start im übertragenen Sinn in viele Lebensbereiche reicht. Die Redewendungen “der sieht jetzt gleich die rote Karte” oder “ok, ich gebe grünes Licht für die Aktion” mögen als in Beispiel für diese allgemeine Akzeptanz dienen.
Die Ampel – bei Lebens- mitteln verwirrend, bei Elektroartikeln hilfreich!
Wenn es um die Einführung der Ampelkennzeichnung bei Lebensmitteln geht, wird vom zuständigen Ministerium und vom Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde (!), dem Spitzenverband der deutschen Lebensmittelindustrie, gerne darauf hingewiesen, dass eine Ampelkennzeichnung “die Verbraucher verwirren” würde.Bei Elektrogeräten sagt hingegen die dena (Deutsche Energie Agentur) zu einer Ampelkennzeichnung “Das EU-Label ( rot/gelb/grün) geht aus einer Richtlinie der Europäischen Union hervor, die den Verkauf und die Entwicklung von besonders sparsamen Haushaltsgeräten fördern will.”
Keine Rede von Verwirrung, keine Rede von “rot darf nicht gekauft werden” – einfach nur Information!
Trotz dieser Eindeutigkeit und allgemeinen Akzeptanz gibt es eine Ampeldiskussion, bei der die Positionen der Diskutanten völlig unvereinbar erscheinen: Die Lebensmittel-Ampel. Eine neuartige und signalstarke Lebensmittel-Kennzeichnung die, im Idealfall auf der Vorderseite von Lebensmittelverpackungen angebracht, schnelle Auskunft gibt über Fettgehalt, den Anteil ungesättigter Fettsäuren, Zucker und Salz, kurz gesagt: Über die Inhaltsstoffe, die dick machen oder sonstige gesundheitlich nachteilige Folgen haben können.
Obwohl dieser Zweck der Ampel allgemein bekannt ist, hält Ilse Aigner, die bisherige und neue Ministerin für den Verbraucherschutz die Ampelkennzeichnung immer noch für ungeeignet und redet statt dessen dem “1 plus 4″- Modell der Lebensmittelindustrie und des BLL (Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde) das Wort.
Im Verlauf einer Diskussion, die bisher keine zielführende Auseinandersetzung zwischen Gegnern und Berfüwortern der Ampel erlaubt, hat die Verbraucherzentrale Hamburg jedoch den Stier bei den Hörnern gepackt und bietet eine “Informationsampel” an. Hier werden einerseits bereits “beampelte” Produkte aufgeführt, z.B. die Top-Ten der aktuellen Nährwertfallen, andererseits kann jeder Verbraucher mittels einer einfachen Eingabemaske weitere Produkte nennen.
Die deutsche Diskussion um die Ampel, die übrigens in Großbritannien bereits erfolgreich eingesetzt wird, ist ein gutes Beispiel dafür, wie groß der Einfluß der Interessenverbände (hier der Interessenverband der Lebensmittelindustrie) auf unsere Politiker ist. Vergleicht man Stellungnahmen und Kommentare der Ministerin bzw. des BMELV (Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucher) mit den Aussagen, z.B., des BLL, dem Spitzenverband der deutschen Lebensmittelindustrie, dann sind gewisse Ähnlichkeiten nicht zu übersehen. Und obwohl z.B. foodwatch, die “Lebensmittelüberwacher”, ein beliebtes Feindbild für den BLL abgeben, dessen Argumente man mit allen Mitteln (auch dem der Falschaussage) versucht zu widerlegen, zeigt die Reaktion eines ersten Industrieunternehmens deutlich, wie weit die Gedanken in den Marketingabteilungen kundenorientierter Hersteller inzwischen gehen. Unter dem Titel “Frosta knipst die Mini-Ampel an” berichtet die Financial Times Deutschland über diesen Spezialisten für Tiefkühlkost, der jetzt, als mutiger Erster, mit Ampelkennzeichnungen beginnt und damit dem Wunsch vieler Verbraucher entspricht.
Die Redaktion der Buergerlobby hat versucht, die Argumente des BLL und auch die der Ministerin, Frau Aigner, zu hinterfragen. Nachdem schon eine erste Anfrage bei der britischen Food Standards Agency (FSA) ergab, dass die Aussage des BLL “Anders als des Öfteren behauptet, gibt es keine nennenswerte Anwendung in Großbritannien und auch keine nachweislich positiven Erfahrungswerte mit einer Ampelkennzeichnung” in Punkt 3 des Katalogs falsch ist, haben wir den 10-Punkte-Katalog des BLL “10 Gründe gegen eine Ampelkennzeichnung” mit der Bitte um Prüfung an die FSA geschickt.
Das Ergebnis der Prüfung durch die FSA ist, kurz zusammengefasst, dass die Argumente, mit denen bei uns gegen die Ampel gestritten wird, z.T. falsch sind. Dies gilt besonders für die Punkte, in denen es um den Erfolg der Ampelkennzeichnung in Großbritannien geht. Richtig ist, dass eine national verbindliche Vorschrift nach dem Beginn des europäischen Gesetzgebungsprozesses nun nicht mehr möglich ist. Die Kommission meint jedoch, dass eine freiwillige Ampelkennzeichnung möglich sein sollte und Hersteller diese (unter Beachtung bestimmter Regeln) zusätzlich (s.FROSTA) zu den künftigen Kennzeichnungsvorschriften einsetzen können (Meldung vom 24.07.2009).
Dass die Lebensmittelampel heute in Deutschland nicht – wie in Großbritannien – weiter verbreitet ist, verdanken wir der industriefreundlichen Haltung von Herrn Seehofer und Frau Aigner. Die (staaatliche) FSA hat nämlich VOR der Veröffentlichung eines EU-Verordnungsentwurfs mit ihrer Initiative für die Ampel begonnen. Das hätten auch bundesdeutsche Politiker -sicher mit gleichem Erfolg - in der Vergangenheit unterstützen können. Initiativen “pro Ampel” gab es zahlreich, von den Krankenkassen über die Verbraucherzentralen bis hin zu foodwatch.
Auch wenn es inzwischen Stimmen gibt, die sagen “Schützt uns vor den Verbraucherschützern“, bleiben wir bei der Meinung, dass es nicht angehen kann, dass eine -erwiesenermaßen- erfolgreiche Maßnahme zur Verbesserung von Verbraucherinformationen nicht an der Unlust einer Ministerin und/oder der Lobbyarbeit der Industrie scheitern darf.
An wem orientiert sich die zukünftige Kennzeichnung von Lebensmitteln?
An den Wünschen der Verbraucher oder an den Interessen der Nahrungsmittelindustrie?
Diese Frage beleuchtet die Österreichische Bundesarbeitskammer und kommt zu dem Ergebnis, dass einiges dafür spricht, dass die Interessen der Industrie überwiegen könnten.
Zwar haben wir bereits vor Wochen eine Petiton mit der Aufforderung an den Bundestag eingereicht: Der Bundestag möge beschließen, dass Frau Aigner aufgefordert wird in Brüssel eine sogenannte Offenhaltungsklausel zu erwirken, die es erlaubt das Thema Ampel ergebnisoffen zu diskutieren und das Ergebnis dieser Diskussion in Deutschland auch umzusetzen. Aus dem Büro des Petitionsausschuss wurde uns dazu mitgeteilt, dass unsere Petition einer zweiten Petition “angehängt” würde und in die parlamentarische Prüfung ginge. Aus diesem Grund wurde sie nicht separat zur öffentlichen Zeichnung aufgelegt. Diese Aktion kann nach der bereits zitierten Aussage der EU-Kommission als erledigt betrachtet werden.
Jetzt geht es darum Verbraucherinteressen gegen Lobbyinteressen durchzusetzen.
Das Bundesministerium schreibt auf seiner Homepage:
“Die gesunde Wahl bei Essen und Trinken ist ein Thema für viele Lebensbereiche: im Kindergarten und in der Schule, in der Freizeit, am Arbeitsplatz oder in der Seniorengruppe…”
Das genau ist eines der Hauptziele der Lebensmittelampel: Die schnelle und unkomplizierte Vermittlung von Informationen über die gesundheitsrelvanten Inhaltsstoffe von Lebensmitteln. Keine Bevormundung, kein Diktat, lediglich eine Hilfe zu einer gesunderen Ernährung.
Unsere nächsten Aktionen:
1. Wir werden den Kommentar der FSA zum 10 Punkte-Katalog des BLL per E-Mail über den Petitionsausschuß in den Bundestag bringen. Die Information an den Petitionsausschuß wurde am 27.10.2009 per E-Mail verschickt.
2. Wir werden den Kommentar der FSA in einem Mailing an alle Bundestagsabgeordneten schicken. Ihnen bieten wir die Möglichkeit unseren Brief noch einmal persönlich an Ihren Abgeordneten zu schicken und so den Druck im Interesse der Mehrheit aller Verbraucher zu erhöhen.
3. Wir werden die Ministerin Ilse Aigner um eine Stellungnahme zu den Ausführungen der FSA bitten.
Der Brief an Frau Aigner wurde am 27.10.2009 verschickt.
Wenn Sie auch der Meinung sind, dass eine gute und wahrheitsgemäße Verbraucherinformation in einem Markt, der von einem harten, überwiegend preisorientierten und deshalb nicht immer ehrlichen Wettbewerb gekennzeichnet wird, unverzichtbar ist, dann machen Sie mit und schreiben Sie ebenfalls an Abgeordnete und an die Ministerin!
Klicken Sie auf das Wort Abgeordneter oder Ministerin und nutzen Sie unseren vorbereiteten Brief für Ihr persönliches Schreiben an Ihren Abgeordneten oder die Ministerin.
Interessante Links zum Thema:
Eine Ampel für Zucker, Salz und Fett
Hier finden Sie einen unterhaltsamen und gleichermaßen informativen Artikel zum Thema Lebensmittelampel von Nadin Oberhuber, einer – zumindest dem Namen nach – bayrischen Landsfru unsererBundesministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, Ilse Aigner. Man sieht Bayern kann auch anders!
100 Sekunden zur Lebensmittelampel
Galileo in diesem Video wird dias Thema Ampel kurz, anschaulich und recht objektiv dargestellt und das, obwohl ProSieben zur ProSiebenSat.1MediaAG gehört und das Geld überwiegend mit Werbung verdient.
Positiv-Beispiel aus der Industrie: FROSTA
FROSTA ist ein ausgezeichnetes Beispiel dafür, wie ein Unternehmen der größer gewordenen Verantwortung gegenüber Mensch und Natur gerecht werden kann. Während viele Unternehmen sich noch gegen den Wunsch nach mehr Verbraucherinformation wehren, geht FROSTA in die Offensive und bietet mehr als das Geforderte.