0 Offener Brief an Trump
Appell amerikanischer Journalisten

Eines der großen Feindbilder für Donald J. Trump, (noch) president elected der Vereinigten Staaten, war, während des gesamten Wahlkampfs wie auch in der Zeit danach und bis heute, die amerikanische Presse. Was er von der Presse im allgemeinen hält, wird an einem Zitat aus seinem Interview mit der deutschen Bild-Zeitung und der britischen Times deutlich:

„Und das Twittern? Ich dachte, ich würde es zurückschrauben, aber die Presse berichtet so unehrlich über mich – so unehrlich –, dass ich mich über Twitter äußere. Und es sind nicht 140 Zeichen, es sind jetzt 140, 280 – ich kann bing, bing, bing machen und mache einfach weiter, und sie veröffentlichen es, sobald ich es twittere.“
„Aber wissen Sie, das Twittern ist interessant, weil ich es sehr akkurat finde. Wenn ich etwas öffentlich sage und wenn ich den Zeitungen etwas sage, und sie es nicht akkurat wiedergeben, ist das wirklich schlecht. Sie können nicht viel dagegen ausrichten: Wenn man twittert – und ich bin vorsichtig –, ist es sehr exakt, es ist sogar sehr, sehr exakt, und es erscheint als Breaking News.“

Es war sicher nicht nur dieses Interview, das den US presscorps vertreten durch den Chefredakteur der „Columbia Journalism Review“ zu einem offenen Brief an den zukünftigen Präsidenten der Vereinigten Staaten veranlasste.

Wir geben den Text auszugsweise wieder. Den ganzen Brief finden Sie in englischer Sprache hier.

„Sehr geehrter Herr President elect,“„In diesen letzten Tagen vor Ihrer Vereidigung könnte es sinnvoll sein, so meinen wir, klarzustellen, wie wir die Beziehung zwischen Ihrer Regierung und dem amerikanischen Pressekorps sehen.

„Es wird Sie nicht überraschen, dass wir diese Beziehung belastst sehen. Die jüngsten Berichte darüber, dass Ihr Pressesprecher überlegt Medienbüros aus dem Weißen Haus auszulagern, sind die letzten Steine eines Mosaiks, das sich während Ihrer gesamten Kampagne herausbildete: Sie haben den Medien ein Berichtsverbot auferlegt. Über Twitter haben Sie einzelne Reporter verspottet und bedroht und Ihre Anhänger aufgefordert ähnliches zu tun. Sie haben sich dafür eingesetzt, dass Gesetze zum Tatbestand der Beleidigung gelockert werden und haben mit zahlreichen eigenen Klagen gedroht, von denen keine einzige erhoben wurde. Wann immer Sie konnten, sind Sie der Presse aus dem Weg gegangen. Sie haben die Regeln des pool-reportings genauso gescheut wie regelmäßige Pressekonferenzen. Einen Reporter, der Negatives über Sie berichtet hat, haben Sie wegen seiner Behinderung verhöhnt.

All dies entscheiden Sie, selbstverständlich, ja es ist gewissermaßen Ihr Recht. Auch wenn die Verfassung die Pressefreiheit schützt, sie schreibt dem Präsidenten nicht vor wie er dies zu respektieren hat. Regelmäßige Pressekonferenzen sind in dem Dokument nicht verankert.

Aber während Sie jedes Recht haben, Ihre Grundregeln für den Umgang mit der Presse festzulegen, vergessen Sie nicht, auch wir haben Regeln. Es sind schließlich unsere Sendzeiten und unsere Zeitungsspalten, auf die Sie Einfluss ausüben wollen. Wir, nicht Sie, enscheiden wie wir unsere Leser, Hörer und Seher am besten bedienen. Vor diesem Hintergrund mögen Sie verstehen, was Sie in den nächsten vier Jahren von uns zu erwarten haben.

Zugang ist wünschenswert, aber nicht unabdingbar. Es liegt bei Ihnen zu entscheiden, dass es keinen Vorteil bringt Reportern Zugang zu Ihrer Regierung zu gewähren. Wir denken es wäre ein Fehler Ihrerseits, aber wir wiederholen, es ist Ihre Entscheidung. Wir sind sehr gut darin Alternativen der Informationsgewinnung zu finden. In der Tat kamen während des Wahlkampfs einige der besten Berichte von Nachrichtendiensten, die von Ihren Veranstaltungen ausgeschlossen waren. Wenn Reportern gesagt wird, dass Sie keinen Zugang zu etwas bekommen, dann ist das nicht das wir bevorzugen würden, aber es wäre eine Herausforderung, die wir lustvoll annehmen.

Vertraulich und andere Grundregeln die von uns gesetzt werden, nicht von Ihnen. Wir können uns entscheiden mit einigen Ihrer Vertreter vertraulich zu sprechen – oder eben nicht. Wir können an Hintergrundgesprächen und vertraulichen Sitzungen teilnehmen  – oder eben nicht. Das ist unsere Entscheidung. Wenn Sie denken, dass Reporter die Regeln nicht akzeptieren und ausgeschlossen werden und die Geschichte nicht bekommen werden – siehe oben.

Wir entscheiden wieviel Sendezeit Ihre Sprecher und Stellvertreter erhalten. Wir werden uns anstrengen Ihre Sicht der Dinge zu erfahren, auch wenn Sie versuchen uns auszuschließen. Das bedeutet aber nicht, dass wir unsere Sendezeit oder Zeitungsspalten Menschen überlassen, die versuchen die Wahrheit zu verzerren oder zu verdrehen. Wir werden die Dinge beim Namen nennen und sie in besonders gravierenden Fällen aus unseren Medien verbannen.

Wir glauben an die objektive Wahrheit und werden Sie damit konfrontieren. Wenn Sie oder Ihre Stellvertreter Dinge sagen oder twittern, die offensichtlich falsch sind, dann werden wir das sagen. Immer wieder. Wir liefern Fakten, das ist unser Geschäft und wir haben keine Verpflichtung falsche Behauptungen zu wiederholen. Auch die Tatsache, dass Sie oder jemand aus Ihrem Team sagt, es handle sich um eine meldenswerte Nachricht, entbindet nicht von der Notwendigkeit, dass die Nachricht einer Prüfung standhalten muss. Beides muss gegeben sein.

Wir werden die Details der Regierungsarbeit verfolgen. Sie und Ihre Mitarbeiter sitzen im Weißen Haus, aber Regierung in Amerika ist etwas Weitreichendes. Wir werden unsere Journalisten über die Regierung fächern, in ihre Zweigstellen einschleusen, undichte Stellen im Beamtenapparat finden. Das wird dazu führen, dass  wir die Oberhand darüber haben, wie Ihre Politik ausgeführt wird, während Sie noch versuchen zu kontrollieren was den Westflügel verlässt.

Wir werden höhere Anforderungen an unsere Arbeit stellen als jemals zuvor. Wir halten Ihnen zugute, dass Sie uns das im politischen Spektrum weit verbreitete Misstrauen in die Medien aufgezeigt haben. Ihre Kampagne hat sich das zunutze gemacht, für uns war es ein belebender Weckruf. Wir müssen das Vertrauen zurückgewinnen. Und wir werden das mit sorgfältiger, furchtloser Reporterarbeit und unter Anerkennung unserer Fehler tun. Dabei werden wir uns strengste ethische Regeln setzen und uns diesen unterwerfen.

Wir werden zusammenarbeiten. Sie haben versucht uns auseinander zu bringen und den Wettbewerbsgedanken unter Journalisten zu nutzen, um Familienkrach zu entfesseln. Diese Tage sind vorbei. Uns ist nun bewusst, dass die Herausforderung über Ihre Aktivitäten zu berichten, es erfordert, dass wir uns, wann immer möglich, helfen. Wenn Sie also einen Journalisten bei einer Pressekonferenz niederbrüllen oder ignorieren, weil er etwas gesagt hat, das Ihnen nicht gefällt, dann werden sie einer vereinigten Front gegenüber stehen. Wir werden bei Themen zusammenarbeiten, wenn es Sinn macht und werden sicherstellen, dass die Welt es erfährt, wenn unsere Kollegen wichtige Geschichten schreiben. Sicher werden wir auch jetzt wieder Diskussionen führen und Uneinigkeit erleben bei Diskussionen über Ethik, Geschmack oder Fairness. Aber diese Debatten werden von uns begonnen und beendet.

Wir spielen ein langes Spiel. Das Best-Case-Szenario sieht Sie acht Jahre in diesem Job. Wir sind seit der Gründung der Republik dabei und unsere Rolle in dieser grossartigen Demokratie wurde wieder und wieder bestätigt und verstärkt. Sie haben uns gezwungen über die grundlegenden Fragen nachzudenken, wer wir sind und wofür wir hier sind. Dafür sind wir Ihnen sehr dankbar.

Geniessen Sie Ihre Amtseinführung.

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