Leider kam der campact Jubel zu früh: „SPD will Weg für Fracking freimachen [1]“ schreibt die Frankfurter Rundschau in der Wochenendausgabe vom 5./6. Juni 2014 und liefert damit ein weiteres Beispiel für die Werthaltigkeit des Politikerausspruchs „Wir nehmen die Bedenken der Bevölkerung ernst“.
Der folgende Beitrag ist deshalb – bis auf die bereits angemeldeten Bedenken – obsolet.
Es scheint so, als habe der massive öffentliche Protest Herrn Gabriel doch noch zum Einlenken bewegt: Er hat nicht, wie dies ursprüngliche seine Absicht war, seinen Gesetzesentwurf zum Fracking noch vor der Sommerpause ins Kabinett eingebracht.
Das sollte jedoch tunlichst nicht als Anzeichen einer möglichen Absage an dieses umweltschädliche Vorhaben verstanden wissen, da sind die Lobbyisten vor – zum Beispiel BP als engagierter Vertreter der Idee „Fracking als europäische Chance [2]“
Unsere alte Überschrift „Fussball-WM verschleiert Gabriel-Initiative zum Fracking?“ ist zwar überholt, zur Entspannung gibt es aber keinen Anlass.
Sollte wirklich wahr sein, was campact in einer aktuellen E-Mail-Aktion behauptet, dann sollten wir unseren Politikern wirklich die Rote Karte zeigen?
„…während viele am Fernseher Tore bejubeln, droht abseits der Kameras ein dreistes Foul-Spiel: Nach Medienberichten könnte Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel schon am kommenden Mittwoch ein Gesetz ins Kabinett einbringen, das Fracking ermöglicht – auf über 80 Prozent des Bundesgebiets. Beim Fracking sprengen Exxon und Co. mit Hochdruck Gestein tief in der Erde auf, um an das darin enthaltene Erdgas zu gelangen. Es entsteht ein giftiger Abwassercocktail – der unser Trinkwasser bedroht.“
Wir wollten genau wissen was dran ist an der campact-Behauptung und haben nachgefragt und das ist das Ergebnis:
Es scheint was dran zu sein an der campact-Behauptung, denn mit einer schriftlichen Anfrage [3]an die Bundesregierung fragte die Abgeordnete Dr. Julia Verlinden (Bündnis90/Die Grünen):
„Wird die Bundesregierung, wie von Bundesminister Gabriel in einem Schreiben an den Haushaltsausschuss vom 27. Mai 2014 angekündigt, vor Beginn der Sommerpause Gesetzentwürfe zu Fracking vorlegen, oder wird es erst nach der Sommerpause dazu kommen, wie in der Süddeutschen Zeitung vom 3. Juni 2014 mit Verweis auf das Bundeswirtschaftsministerium berichtet wurde?“
Darauf antwortet das „Haus Gabriel“ (Bundesministerium für Wirtschaft und Energie) am 12.6.2014:
„In dem Schreiben von Bundesminister Gabriel an die Vorsitzende des Haushaltsausschusses, Frau Dr. Gesine Lötzsch, vom 23. Mai 2014 hieß es, dass eine Kabinettbefassung mit den Gesetzentwürfen zu Fracking noch vor der Sommerpause angesterbt werde. Die Referentenentwürfe sollen zeitnah finalisiert werden. Daran schließt sich die Beteilgigung der Länder und der Verbände an. Eine Kabinettbefassung soll zeitnah – spätestens nach der Sommerpause – erfolgen. Im Vordergrund steht, dass die Regelungen sorgfältig erarbeitet werden, nicht die Geschwindigkeit.“
Ein wichtiger Zusatz dieses „Sorgfalt vor Geschwindigkeit“!
Besonders dann, wenn man noch einmal einen genaueren Blick in die Gutachten von Sachverständigenrat für Umweltfragen und Umweltbundesamt wirft.
Was ist eigentlich Fracking?
Fracking, genauer „Hydraulic Fractioning“ ermöglicht es Gas- und Ölvorkommen zu fördern, die in Gesteinsschichten gebunden sind. Ein Gemisch aus Wasser, Sand und chemischen Zusätzen wird unter hohem Druck in eine Gesteinsschicht gepresst. Unter dem ausgeübten Druck bricht das Gestein und das GAs bzw. Öl kann durch die Risse strömen. Der beigemischte Sand dient dazu die Risse offenzuhalten, die diversen Chemikalien dienen der Schmierung und Verflüssigung und sollen z.B. Korrosion der Anlagen verhindern.
Fracking gilt als eine äußerst umstrittene Methode der Rohstoffgewinnung. Langzeitfolgen können nicht wirklich beurteilt werden, kurzfristige Folgen sind in Amerika zu sehen. Dort gibt es Haushalte in denen dem Trinkwasser soviel Methan beigemischt [4] ist, dass dieses brennbar wird.
Wie groß die Bedeutung des Fracking für die Energiewende ist, das hat der Sachverständigenrat für Umweltfragen [5] 2013 in einem Gutachten festgestellt. Überschrift: „Fracking: Für die Energiewende entbehrlich.“ [6]
Um die Umweltrisiken des Fracking [7] einschätzen zu können, hat das Umweltbundesamt [8] die Studie „Umweltauswirkungen von Fracking bei der Aufsuchung und Gewinnung von Erdgas aus unkonventionellen Lagerstätten [9]“ in Auftrag gegeben. Darin raten die Gutachter davon ab, Fracking derzeit großflächig zur Erschließung unkonventioneller Erdgasvorkommen in Deutschland einzusetzen.
Eine zweite Studie zu weiteren Aspekten des Fracking soll im Juli (!) 2014 abgeschlossen werden. Warum also die Eile des Herrn Gabriel?
Ist wirklich schon alles gesagt, wenn das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz Bau und Reaktorsicherheit auf seiner Homepage als erstes Fazit der Studie [10] feststellt „Kein Verbot von Fracking“? Und das, obwohl es in der Studie u.a. heißt:
Zu den Unklarheiten über die beim Fracking eingesetzten Additive (S. A 75)
Aus Sicht der Gutachter sind derartige Unsicherheiten bezüglich der tatsächlich eingesetzten Additive nicht hinnehmbar.
Zu den Lagerstätten und Entsorgungswegen (S. A 86):
Zur Beschaffenheit der Formationswässer in Tight Gas-, Schiefergas- und Kohleflözgas-Lagerstätten in Deutschland liegen nur vereinzelt Angaben zu Haupt-, Neben- und Spurenkomponenten, gelösten Gasen, organischen Wasserinhaltsstoffen und NORM vor; regionale und teufendifferenzierte Angaben zur Formationswasserbeschaffenheit fehlen weitgehend.
Zur Umweltverträglichkeitsprüfung (S. B 31):
Die Umweltverträglichkeitsprüfung umfasst die Ermittlung, Beschreibung und Bewertung der unmittelbaren und mittelbaren Auswirkungen eines Vorhabens auf Menschen – einschließlich der menschlichen Gesundheit–, Tiere, Pflanzen und die biologische Vielfalt, Boden, Wasser, Luft, Klima und Landschaft, Kulturgüter und sonstige Sachgüter sowie die Wechselwirkung zwischen den vorgenannten Schutzgütern (§ 2 Abs. 1Satz 2 UVPG).Sollte diese Prüfung nicht einem Gesetz vorausgehen?
Die mögliche Zusammensetzung zweier weiterentwickelter, potenziell in Deutschland einsetzbarer Frack-Fluide zeigt die Bemühungen der beteiligten Unternehmen, einzelne der in der Vergangenheit verwendeten Additive durch Stoffe mit niedrigerem Gefährdungspotenzial zu ersetzen. Trotz dieser Verbesserungen muss angesichts der geplanten hohen Einsatzkonzentra-tion eines Formaldehyd-abspaltenden Biozids und dessen lückenhafter Bewertungsgrundlage auch für diese weiterentwickeltenFluide von einem hohen Gefährdungspotenzial ausgegangen werden.
Aber ein Gesetz kann man trotzdem schon machen?