Den folgenden Beitrag veröffentlichen wir mit Genehmigung der Verfasserin und weisen darauf hin, dass der Beitrag wortgleich bereits einmal in der Frankfurter Rundschau veröffentlicht wurde. Vielen Dank an Ska Keller und die FR.
Nachhaltige Außenwirtschaftpolitik sollte die Interessen der Investoren mit jenen der Gastländer und ihren Bevölkerungen in Einklang bringen. Dabei ist es für uns eine Selbstverständlichkeit, dass der Investitionsschutz mit der verpflichtenden Einhaltung von Menschenrechten, als auch sozialen und ökologischen Standards einhergehen muss.
In der Praxis ist die derzeitige Ausgestaltung der Investitionsschutzabkommen und der internationalen Investitionsschiedsgerichtsbarkeit weit entfernt von den Ansprüchen, die wir Grüne an eine nachhaltige Außenwirtschaftspolitik haben. Die Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit wurde erst ab den 90er Jahren vermehrt in Investitionsschutzabkommen verankert. Seit der Jahrtausendwende ist die Zahl der Schiedsverfahren stark angestiegen. Die Kritik wird gleichzeitig immer lauter. So hat zum Beispiel die australische Regierung 2011 beschlossen, keine Möglichkeit mehr zur Einleitung eines Investor-Staat-Verfahrens in Investitionsschutzabkommen aufzunehmen. Eine Reform der Investitionsschutzabkommen und der Schiedsgerichtsbarkeit wird also immer dringender.
Kritikpunkte
• Aufgrund des Investitionsschutzregimes können Gaststaaten alleine durch die Androhung von Prozessen von staatlicher Regulierung abgehalten werden („chilling effect“). Wird eine Klage anhängig, lassen sich Gaststaaten häufig auf einen Vergleich ein, der die Rücknahme der Regulierungen beinhaltet, aus Angst am Ende einen hohen Schadensersatz zahlen zu müssen. So können (transnationale) Unternehmen die Souveränität und demokratische Gestaltungsmacht ganzer Nationen beschränken.
• Ausländischen Investoren werden mehr Rechte zugesprochen als inländischen. Ausländische dürfen direkt internationale Schiedsgerichte anrufen ohne den nationalen Klageweg auszunutzen.
• Ein schwerwiegendes Problem sind zudem die intransparenten Streitschlichtungsmechanismen. Sie sind meist überteuert und garantieren keine richterliche Unabhängigkeit. Weder Parlamente noch Zivilgesellschaft erhalten in der Regel Informationen zu Prozess, Inhalt und Ergebnissen der Schiedsverfahren. Der Ausgang der Verfahren ist unvorhersehbar, da keine einheitliche Rechtsprechung vorliegt.
• Die Zusammensetzung der Gerichte erfolgt willkürlich. Darüber hinaus hat ein Staat nach einem getroffenen Urteil eines Schiedsgerichtes bisher keine Möglichkeit auf Berufung.
• Insbesondere für Entwicklungsländer bedeuten die Klagen und oftmals damit einhergehenden Schadensersatzforderungen eine sehr hohe finanzielle Bürde.
• Festgeschriebenen Schutzstandards für InvestorInnen sind meist sehr vage formuliert. Das führt dazu, dass der Auslegungsspielraum, den die Schiedsgerichte haben, sehr groß ist und die Entscheidung häufig zugunsten der Unternehmen fällt. Ein Beispiel hierfür liefern Enteignungsregeln in Investitionsabkommen, die eine Sozialbindung des Eigentums nicht kennen. Das hat zur Folge, dass Politikmaßnahmen im öffentlichen Interesse als schleichende Enteignung interpretiert werden können
.
Reformvorschläge:
• Menschenrechtsklauseln sowie Umwelt- und Sozialstandards müssen zentral verankert werden, so dass sie den Schadensersatzforderungen von Investoren entgegenstehen. Das bedeutet, dass der Staat bei einer Klage durch ein Unternehmen vor dem Schiedsgericht eigene Ansprüche z.B. wegen Verstößen gegen Menschenrechte vorbringen kann und das Schiedsgericht diese zwingend zu berücksichtigen hat.
• Genauere Begriffsbestimmungen in den Abkommen, insbesondere bezüglich indirekter Enteignung, Investitionen, Grundsatz der fairen und gerechten Behandlung von Investoren, der zurzeit extrem große Interpretationsspielraum der Schiedsgerichte eingeschränkt wird. Ziel ist es, die Gesetzgebung im Interesse des Allgemeinwohls nicht einzuschränken und gleichzeitig die Rechtssicherheit für Investoren zu erhöhen.
• Der nationale Rechtsweg muss grundsätzlich beschritten werden. Investoren können bei Unzumutbarkeit und Verfahrensverschleppung Ausnahmen beantragen, die langfristig von einem neu zu schaffenden internationalen Investitionsgericht und kurzfristig von einem Schiedsgericht überprüft werden.
• Es müssen nicht nur Investorenrechte, sondern auch –pflichten in Investitionsschutzabkommen aufgenommen werden. So sollen Unternehmen von Staaten, Einzelpersonen oder Gruppen unter den gleichen Voraussetzungen vor Schieds-gerichten auf Schadensersatz verklagt werden können, wenn sie gegen im Abkommen verankerte Investorenpflichten oder international vereinbarte Menschenrechts-, Sozial- oder Umweltstandards verstoßen.
• Die momentan sehr undurchsichtigen Schiedsgerichtsverfahren transparenter werden. Die Öffentlichkeit hat ein Recht zu erfahren, welche völkerrechtlichen Streitigkeiten zwischen Unternehmen und einem Staat bestehen und wie entschieden wird. So sollten unabhängig von dem Willen der Streitparteien alle relevanten Informationen, z.B. die Klageschrift unter Wahrung grundlegender Geschäftsgeheimnisse, der Verhandlungsstand, Gutachten und die Höhe der Schadensersatzforderungen veröffentlicht werden.
• Die Besetzung der Schiedsgerichte muss ausgeglichener gestaltet werden.
• Die Durchsetzbarkeit der Höhe der Schadensersatzleistungen muss begrenzt werden, abhängig von der Wirtschaftskraft des Gaststaates.
• Außerdem könnte man Investor-Staat-Klagen ganz aus internationalen Investitionsverträgen heraus nehmen. Von anerkannten Organisationen wie der UNCTAD wurden bereits Alternativen wie Mediation und Prävention von Streitfällen erarbeitet.
Beispielfälle:
– In 2012 wurden mit 52 Fällen die meisten Klagen pro Jahr seit es Investitionsabkommen gibt eingereicht, in 70% der Fälle bekam der/die InvestorIn Recht
– Ebenfalls in 2012 wurde die jemals höchste Entschädigung einem Investor zugesprochen: 1,77 Mrd US Dollar muss Ecuador an Occidental zahlen wegen einer Beendigung eines Ölvertrags
– Vattenfall klagt momentan gegen Deutschland (Atomausstieg) auf Entschädigungszahlungen über eine Höhe von über eine Mrd. Euro
– 2010 hatten europäische InvestorInnen Argentinien verklagt, das im Rahmen der schweren Finanzkrise den Vertrag für
Abwasserdienstleistungen gekündigt hatte; obwohl Argentinien auf das Menschenrecht auf Wasser rekurriert hatte, haben die InvestorInnen Recht bekommen
– Philip Morris verklagte 2010 Uruguay wegen Warnhinweisen auf Zigarettenpackungen
– Tschechien musste 2010 354 Mio US Dollar an eine Investor zahlen wegen Änderung von Kooperationsverträgen beim Betrieb eines Fernsehsenders durch den tschechischen Medienrat
– Hier die Studie von CEO, die darlegt wie eine Aufnahme des ISDS (investor to state dispute settlement) in das Freihandelsabkommen mit Kanada die Bemühungen, unterlaufen könnte, Fracking in Europa zu stoppen: http://corporateeurope.org/publications/right-say-no-eu-canada-trade-agreement-threatens-fracking-bans
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