Es ist ein über lange Zeit bekanntes Übel, dass in der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit [1] (EFSA) wichtige Stellen mit Personen besetzt wurden, die eng mit der Lebensmittelindustrie, der Agrochemiebranche oder mit Gentechnikfirmen in Verbindung gebracht werden konnten, wohingegen Vertreter von Verbraucher- oder Umweltorganisationen so gut wie keine Rolle spielten.
Und das, obwohl die EFSA für die Klärung so wichtiger Fragen zuständig ist, wie „Mit welchen Gesundheitsversprechungen dürfen Lebensmittelfirmen werben?“ oder „Welche Pestizide sollen für Obst und Gemüse erlaubt werden?“ oder „Bis zu welcher Grenze darf Gentechnik in Futtermitteln oder Lebensmitteln stecken?
Wie die unabhängige Informationsschrift Gute Pillen Schlechte Pillen [2] (GPSP) in ihrer neuesten Ausgabe berichtet, ist es besonders kritischen Organisationen wie der in Deutschland ansässigen Testbiotech e.V. [3] und insbesondere deren Experten wie Christoph Then zu verdanken, dass solche Interessenkonflikte wie der der Ungarin Diána Bánáti bekannt wurden: Bánáti gelang 2010 das Kunststück, gleichzeitig Vorsitzende des Verwaltungsrats der EFSA und des Vorstandes des ILSI (International Life Science Institute [4]) zu sein. Finanziers des ILSI sind Firmen wie Coca Cola, Mc Donalds, Kraft, aber auch die Pestizidhersteller Syngenta und Monsanto weltgrößter Halter von Gentechnikpatenten.
Dank der immer größer werdenden Öffentlichkeit dieses Interessenkonflikts und der damit verbundenen Frage: „Für wen arbeitet sie nun eigentlich, für die Bürger oder für die Industrie?“ schied Frau Bánáti 2010 aus der ILSI [5] aus, um ihre Arbeit in der EFSA fortsetzen zu können. Jetzt aber, Anfang Mai 2012, ist sie bei der EFSA ausgeschieden [6], um als Geschäftsführerin und wissenschaftliche Direktorin zur ILSI zurückzukehren. Ein perfektes Beispiel für den auch durch deutsche Politiker bekannt bekannt gewordenen Drehtüreffekt [7].
Wie GPSP weiter berichtet, wurde der Rückzug von Frau Bánáti just einen Tag vor der wichtigen Abstimmung bekannt, an dem das Europäische Parlament den Haushalt 2010 der EFSA absegnen sollte. Der Trick hat nicht funktioniert!
Die EU-Parlamentarier haben die Entscheidung über den Haushalt der Lebensmittelaufseher vertagt „, um so die Interessenkonflikte von EFSA-Mitarbeitern und „Drehtüreffekte“ wie bei Frau Bánáti abzustrafen.“
Weiterhin schreibt Testbiotech auf seiner Homepage: [8]
„Wegen systematischer Verflechtungen mit ILSI hat die Europäische Lebensmittelbehörde EFSA jüngst die eigenen Standards für die Wahrung ihrer Unabhängigkeit angehoben. Seitdem ist die Mitarbeit von ILSI-Experten auf verschiedenen Arbeitsebenen der EFSA ausgeschlossen.“
Aber auch der Ministerrat der EU macht inzwischen mobil gegen die EFSA:
Nachdem Testbiotech und das Brüsseler Corporate Europe Observatory den Ministerrat Mitte Mai schriftlich [9] auf einen bestehenden Interessenkonflikt bei der Bewerbung einer ehemaligen Monsanto-Mitarbeiterin um einen Sitz im EFSA-Verwaltungsrat hingewiesen hatte, lehnte dieser die Kandidatin ab. Die Bewerberin war über mehrere Jahre als Cheflobbyistin für Monsanto unterwegs gewesen und hatte zuletzt für einen Verband der Lebensmittelindustrie gearbeitet.
Auch zwei Europaabgeordnete der Christdemokraten, Peter Liese [10] und Richard Seeber [11], waren der Meinung, dass eine solche Kandidatin der Glaubwürdigkeit einer Organisation wie der EFSA schaden würde und haben dies den zuständigen Ministern der 27 Mitgliedsstaaten mitgeteilt.
Es gibt sie also doch, die erfolgreiche, europaweite Aktivität gegen überbordende Lobbyinteressen.