0 Mehr Transparenz im Deutschen Bundestag?
Die Abgeordneten sagen: Nein danke!

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„Mehr Transparenz in der Politik“ ist ein vielfach bemühtes Schlagwort, ganz egal welcher Partei der Politiker angehört, der es im Munde führt. Angefangen bei Christian Lindner (FDP), der im NRW-Wahlkampf meint: „Da gibt es ein Bedürfnis nach Transparenz in der Politik“ über Horst Seehofer (CSU), der in München meinte „… Offenbar gebe es ein großes Bedürfnis in der Bevölkerung nach Transparenz in der Politik …“ bis zu Heiner Geißler (CDU), der seiner Partei rät „… sich mehr um Transparenz und Bürgerbeteiligung zu bemühen. Die Union solle ihren gesamten Wahlkampf darauf ausrichten.“

Wenn es aber Ernst wird damit, dann kneifen die Herren Politiker. Aktuell geschehen bei der negativen Entscheidung über die Einführung des e-votings (elektronisches Abstimmungsverfahren) im Deutschen Bundestag.

Im Februar 2011 haben wir beim Petitionsausschuss des Deutschen Bundestags eine Online-Petition eingereicht, die die Einführung eines elektronischen Abstimmungssystems im Bundestag zum Gegenstand hatte.

Diese Petition ist nun beraten worden und der Deutsche Bundestag hat am 29.03.2012 beschlossen, das Petitionsverfahren abzuschließen. Er folgt damit der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses, der die Einführung eines elektronischen Abstimmungssystems im Interesse von mehr Transparenz für die Bürger für unnötig hält.

Die bemerkenswerten Begründungen lauten u.a.

„… bei Abstimmungen im Bundestag besteht grundsätzlich kein Bedarf für eine exakte Zählung der Stimmen …“

„Für gewöhnlich erfolgen Abstimmungen im Plenum durch schlichtes Handzeichen bzw. – bei der Schlussabstimmung über Gesetzentwürfe – durch Aufstehen oder Sitzenbleiben (§ 48 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages – GO BT).“

„Im Übrigen kann eine Erfassung des Abstimmungsverhaltens jedes einzelnen Abgeordneten jederzeit auf Verlangen einer Fraktion oder anwesenden 5 vom Hundert der Abgeordneten durch eine namentliche Abstimmung erfolgen (§52 GO BT). Entsprechend der parlamentarischen Praxis erhalten die Abgeordneten hierzu verschiedenfarbige Abstimmungskarten für „Ja“ (blau), „Nein“ (rot) und „Enthaltung“ (weiß). Diese sind mit dem Namen des Abgeordneten und der Fraktionszugehörigkeit versehen. Im Rahmen der Abstimmung wirft der Abgeordnete dann eine der Stimmkarten in eine Urne.“

Besonders der letztgenannte Punkt erscheint uns einer Nachfrage wert, denn die in vorgenannter Darstellung genannten „Abstimmungskarten“ entnehmen die Abgeordneten vor einer namentlichen Abstimmung einem Regalfach in der Lobby-West des Deutschen Bundestags. Zu klären ist u.E. die Frage (**, ob bei einer Abstimmung ein nicht anwesender Abgeordneter einen seiner Kollegen bitten kann, für ihn abzustimmen und dafür die namentlich gekennzeichnete Abstimmungskarte aus seinem Fach in der Lobby-West zu entnehmen. So könnte z. B. die Abwesenheit eines Abgeordneten bei einer wichtigen Abstimmung verschleiert werden, was bei einem elektronischen Abstimmungssystem, das z.B. mit einem Daumenabdruck aktiviert wird, nicht möglich wäre.

Unter Berufung auf die parlamentarischen Abläufe, „die sich in langer parlamentarischer Praxis bewährt haben“ und mit dem ausdrücklichen Hinweis auf die Zweifel einer „absoluten technischen Zuverlässigkeit“ wird so die Ablehnung eines elektronischen Abstimmungssystems begründet.
Vergleiche mit anderen elektronische Systeme nutzenden Parlamenten werden wegen „teilweise erheblicher Unterschiede in der parlamentarischen Arbeitsweise und der damit zusammenhängenden Bedeutung von Plenarsitzungen“ als nicht relevant zurückgewiesen.

(** wichtige Ergänzung:

Auf Rückfrage bei der Abteilung für Bürgeranfragen beim Bundestagspräsidenten wurde uns das System der Kartenausgabe erklärt: Zwar sind die Regalfächer in der Lobby-West nicht verschließbar und es könnte tatsächlich die Abstimmungskarte eines Abgeordneten von einem anderen Abgeordneten entnommen werden. Damit wäre aber trotzdem keine „Stimmabgabe in Abwesenheit“ möglich, weil an den Urnen Schriftführer den Einwurf der Karten überwachen und in die Einwurfschlitze der Urnen nur jeweils eine Karte passt. Eine weitere Absicherung erfolgt durch die Möglichkeit, Abstimmungslisten und Anwesenheitslisten (diese werden für jede Sitzung geführt und müssen von jedem Abgeordneten mit Unterschrift ausgefüllt werden) zu vergleichen. Das System scheint also täuschungssicher zu sein.

Zur Frage der Transparenz des Abstimmungsverhaltens einzelner Abgeordneter meint der Petitionsausschuss, dass diese durch die bereits im Internet veröffentlichten stenografischen Berichte der Plenarsitzungen gewährleistet sei. Unter http://bundestag.de/bundestag/plenum/abstimmung/index.html sind die Ergebnislisten der namentlichen Abstimmungen je nach Legislaturperiode einzusehen. Die Listen sind nach Fraktionen und in sich wiederum namensalphabetisch gegliedert.

Einfach geht anders – aber ein Mindestmaß an Transparenz wird bereits jetzt geboten.

 

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