0 Bravo Frau Bundeskanzlerin!

In ihrer ersten Erklärung nach dem Rücktritt von Christian Wulff sagte die Bundeskanzlerin, dass sie nach den Beratungen der Koalitionspartner auf die SPD und Bündnis 90/Die Grünen zugehen werde, um  mit diesen über einen parteiübergreifenden Nachfolger zu diskutieren. Damit signalisiert die Kanzlerin deutlich, dass es ihr bei der Wahl des nächsten Bundespräsidenten – des dritten in einer Legislaturperiode – nicht noch einmal um die Durchsetzung eines schwarzgelben Kandidaten gehen wird. Diesmal steht ganz offensichtlich Konsens und Überparteilichkeit über allem. Schwierige Zeiten für die 3 %-Partei FDP und die bayerischen Löwen der CSU.

Mit ihrer Erklärung mindert die Kanzlerin auch die Sorgen vor einer erneuten und massiven Steuerung der Zusammensetzung der Bundesversammlung durch die Regierungsparteien. Anlässlich der Wahl von Christian Wulff hat die Koalition nämlich ein größtmögliches Maß an Sicherheit für ihren Kandidaten auch dadurch erreichen wollen, dass aus den eigenen Reihen möglichst viele „Parteisoldaten“ in die Bundesversammlung entsandt wurden – was, wie wir alle erinnern, trotzdem nicht für einen Durchmarsch reichte.

Was im Vorfeld der neuerlichen Wahl (die binnen 30 Tagen erfolgen muss) auch noch einmal interessant wird, ist die Frage: „Wer kann Wahlmann oder -frau werden?“.
Dazu sagt das „Gesetz über die Wahl des Bundepräsidenten durch die Bundesversammlung“ in § 3 ausdrücklich:
„Zur Bundesversammlung wählbar ist, wer zum Bundestag wählbar ist.“
Im Prinzip kann also jeder Deutsche, der das 18. Lebensjahr vollendet hat, Wahlmann oder -frau werden.

Dass dies in der Praxis so nicht möglich ist, zeigt der Rechtsstreit, den ein pfiffiger und rechtskundiger Schwabe im Jahr der Köhler-Wahl begonnen hat. In einem Schreiben an den Präsidenten des baden-württembergischen Landtags bewarb sich Hans-Joachim Zimmer, von Beruf  Bausachverständiger, offiziell um die Mitgliedschaft in der Bundesversammlung.

Aufgrund der für ihn unbefriedigenden Antwort „nun abzuwarten, ob eine Fraktion ihre Bewerbung aufgreift und sie bei der Aufstellung ihrer Vorschlagsliste für die Wahl der Mitglieder der nächsten Bundesversammlung berücksichtigt“, legte Zimmer noch im Februar 2009 Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe ein, von wo diese jedoch ohne Begründung abgewiesen wurde.

Die im März folgende Wahl der baden-württembergischen Mitglieder der Bundesversammlung erfolgte denn auch nach dem Parteienproporz und ohne den Bürger H.-J. Zimmer. Daraufhin klagte Zimmer mit der Begründung, dass nirgendwo definiert sei, wer die Vorschlagslisten zur Bundesversammlung erstellen dürfe und dass deshalb nicht nur die Listen der im Landtag vertretenen Fraktionen, sondern auch jede beliebige andere  zulässig sei, vor dem Verwaltungsgericht.

Auch diese Klage wurde abgewiesen, was Zimmer jedoch nicht zum Aufgeben animiert, sondern ihn zu einer Klage vor dem Verwaltungsgerichtshof  Mannheim veranlasst. Mit der Begründung, dass für seine Beschwerde die Verwaltungsgerichte, da es sich um einen verfassungsrechtlichen Streit handle, nicht zuständig seien, erhält er auch hier eine Ablehnung.

Auf seine neuerliche Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht erhält er dann als erstes die Mitteilung, dass eine Entscheidung vor dem Wahltermin mit Sicherheit nicht mehr möglich sei.

Der Spiegel sprach in einem Beitrag über diesen Vorgang von Hans-Joachim Zimmer als einem „Don Quijote der Demokratie“ – eingedenk der immer wiederkehrenden Diskussionen um eine Direktwahl des Bundespräsidenten ist die von Zimmer aufgedeckte Problematik …

Dazu ein Auszug aus dem Spiegel Beitrag:

„… der Stuttgarter Landtag hat offiziell nur eine gemeinsame Liste gewählt. Damit, wenn eines der Mitglieder kurzfristig bei der Bundespräsidentenwahl verhindert sein sollte, immer nur ein Ersatzkandidat aus derselben Fraktion nachrückt, wurden aber doch wieder nach Fraktionen getrennte Listen präsentiert.“

und

„In der Tat bietet das Bundespräsidentenwahlgesetz dafür eigentlich keine Grundlage: Streng genommen müsste bei einer einheitlichen Liste ein Bewerber derselben Liste nachrücken – es könnte also für einen SPD-Mann der Ersatzmann von der CDU kommen oder umgekehrt. Oder die Fraktionen müssten eben von Anfang an getrennte Listen aufstellen, mit dem Risiko, dass nicht alle gewählt werden, die sie gern hätten.“

… vielleicht doch mehr als eine Don Quijoterie und es lohnt sich, intensiv darüber nachzudenken, wie die Bundesversammlung – jenseits der Parteien – beschickt werden könnte.

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