0 Politik und Mandat
Wie viel Betrug ist erlaubt?

Die Fälle mehren sich, in denen Mandatsträger, parallel zu ihrer anstrengenden politischen Arbeit, “mal eben und so nebenbei den Doktor machen” wollen. Das führt offenbar zu massiven Problemen bei der Sorgfalt und Ehrlichkeit. Und so stellt sich manchem Bürger die Frage: “Ab wann sind persönliche Konsequenzen zu ziehen?”

Karl Theodor Frhr. zu Guttenberg (CSU), Silvana Koch-Mehrin (FDP) und jetzt Matthias Pröfrok (CDU) – ihnen allen wurde nachgewiesen, dass sie ihre Doktorarbeit nicht durch eigene Leistung, sondern mit Hilfe von fremdem geistigen Eigentum erschwindelt haben. Ihnen wurden die Doktortitel bereits entzogen.

Überprüft werden zurzeit noch die Dissertationen von Jorgo Chatzimarkakis (EU-Abgeordneter der FDP) und
Bernd Althusmann (CDU Kultusminister in Niedersachsen). Auch bei diesen beiden wurden in den Arbeiten fremde, nicht gekennzeichnete Textpassagen festgestellt. In beiden Fällen wollen die Universitäten (Uni Bonn und Potsdam) sich in den nächsten Wochen zu den Vorwürfen äußern.

Matthias Pröfrock sieht laut Spiegel Online ebenfalls keinen Grund, sein Mandat niederzulegen. Im Gegenteil, Pröfrock ist überzeugt, dass ein erschwindelter Doktortitel für die Bürger keinen Grund darstellt, an seinem Mandat zu zweifeln. Pröfrock: “Sie haben mich sicher nicht wegen meines Doktortitels gewählt.” Seine Fälschungen nennt er im Spiegel: “fahrlässig, dumm – aber keine Absicht”.

Eine bemerkenswerte Gemeinsamkeit (außer der des Plagiierens) verbindet die bereits Überführten mit den “In-Prüfung-Befindlichen”: Sie wollen alle ihre Ämter und/oder Mandate behalten!

Althusmann gibt den Standhaften. „Für meine Ämter habe ich, auch nachdem ich den Ministerpräsidenten gestern informiert habe, entschieden, dass dies eine Krise ist, die ich durchzustehen habe.“, wird er auf Bild Online zitiert.

Koch-Mehrin hat zwar ihre Ämter in der EU niedergelegt, das Mandat als Abgeordnete will sie allerdings behalten. Das ist irgendwie verständlich (oder doch nicht?), schließlich geht es da ja auch um richtig viel Geld. Gehalt/Diät Euro 7.956,87; monatliche Kostenvergütung Euro 4.299; Euro 304,00 Tagegelder für offizielle Sitzungen in Gremien des EU-Parlaments (Quelle: Referenzdokumente des Europäischen Parlaments zu Entschädigungen und Vergütungen).

Jorgo Chatzimarkakis weist auf seiner Homepage darauf hin, dass sein Fall sich “singulär von allen anderen bisher diskutierten Fällen” unterscheidet, weil sich alle genutzten Quellen im Literaturverzeichnis seiner Arbeit befinden. Welche weiteren Zweifel an seiner Argumentation bestehen, wurde in einer Diskussion bei Anne Will deutlich. Nun gilt es, die Entscheidung der Universität Bonn abzuwarten. Termin ist der 13. Juli!

Will man über die Fälle unlauter erworbener Doktortitel urteilen, so gilt es sicher auch, einen Blick auf die Institutionen zu werfen, deren Aufgabe es ist, Dissertationen zu bewerten. Dabei ist zu fragen, wie es sein kann, dass hochdekorierte Professoren mit Legionen von Assistenten “in Serie” Plagiatsfälle übersehen, ja sogar Plagiate “summa cum laude” bewerten.

Wenn das Ansehen der Fakultäten und die Würdigung wissenschaftlicher Arbeit in Deutschland nicht schweren Schaden nehmen soll, dann ist es zwingend erforderlich, die Sorgfalt bei der Prüfung von Dissertationen nachhaltig zu verbessern. Außerdem sollte sich jede Prüfungskommission selbstkritisch fragen, ob sie vielleicht bei berühmten Namen großzügiger gehandelt hat als beim “Jedermann-Studenten”. Welche Universität schmückt sich nicht gerne mit einem Minister oder EU-Politiker, der aus ihren Reihen kommt?

Wichtiger noch als jede Frage an die Universitäten sind allerdings einige Fragen an die bundesrepublikanischen Politiker aller Parteien auf Bundes- wie auf Landesebene:

Wie soll die Glaubwürdigkeit von Politik und Politikern in Deutschland jemals besser werden, wenn die nachgewiesene Erschleichung eines akademischen Grades ohne jede Konsequenz bleibt?

Wie soll jungen Menschen glaubhaft vermittelt werden, dass Ehrlichkeit sich lohnt und Pfusch und Betrug nicht geduldet werden, wenn ein nachgewiesener Betrug ohne Konsequenz bleibt?

Wer entscheidet bei einer wissenschaftlichen Arbeit im Zweifelsfall (und nach welchen Kriterien), ob Betrugsversuch “nur ein Versehen” ist oder ob ein “vollendeter Betrug” vorliegt? Welchen Sinn machen Prüfungsordnungen, wenn hier unterschieden wird?

Und schließlich eine Frage, die wir bereits einmal an den Präsidenten des Deutschen Bundestags gestellt haben …

Brauchen wir einen Ehrenkodex für Abgeordnete und Minister?

… und die wie folgt beantwortet wurde: “Der Präsident hat Ihr Schreiben mit Interesse gelesen und dankt für Ihr Engagement. Er möchte Ihrer Bitte aber nicht entsprechen.”

Sagen Sie uns Ihre Meinung:

Muss ein Politiker zurücktreten, wenn ihm eine betrügerische Handlung (z.B. Plagiate in der Dissertation) nachgewiesen wird?

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Braucht die Bundesrepublik Deutschland einen Ehrenkodex für Ihre Abgeordneten und Minister in dem geregelt wird, wie mit Verstößen gegen Recht und Gesetz umzugehen ist?

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