0 Türkische Fußballer Vorreiter gegen Homofeindlichkeit

Homophobie und Fußball gehören anscheinend untrennbar zusammen. Ob aus dem Fanblock, von Trainern oder Spielern Sprüche wie „Schiri, du Schwuchtel“ oder „Schwule Sau“ sind gang und gäbe. Der Fußball-Oberligist Türkiyemspor Berlin will nun vormachen, dass es auch anders geht und sucht explizit nach einem homosexuellen Kicker.

Beschimpfungen sind Alltag

Für die Türkiyemspor-Spieler sind verbale Attacken Alltag. „Die Palette reicht von ‚Kanake’ bis ‚Sonderzug nach Auschwitz’“, berichtet der Vorsitzende des Fördervereins Türkiyemspor, Çetin Özaydin. „Da lag es nahe, sich mit anderen diskriminierten Minderheiten zu solidarisieren.“ Eine Kooperation mit dem Berliner Lesben- und Schwulenverband Deutschland (LSVD) gibt es seit geraumer Zeit. Jetzt will der Verein mit einem offen schwulen Spieler noch einen Schritt weiter gehen.

Keine Angst vor Homosexuellen

„Das könnte ein Ansporn auch für andere Spieler und Trainer sein, sich zu outen“, hofft Özaydin, der selber heterosexuell ist. Dass es von der Kreisliga bis hin zur Oberliga homosexuelle Kicker gibt, steht für ihn außer Frage. Schwierigkeiten, einen schwulen Spieler in das von den Stürmern bis hin zum Torwart heterosexuelle Team zu integrieren, sieht Özaydin nicht. Berührungsängste habe keiner.

Schwule und Lesben feuern an

Bei den Berliner Respect Games oder dem Come-Together-Cup – Turniere gegen Diskriminierung und Homophobie – sind die Türkiyemspor-Kicker mit von der Partie. „Und die Jungs gehen oft in schwule Läden. Die Parties sind toll und sie werden dort nicht von Fans umringt.“ Diese Ruhe könnte aber bald der Vergangenheit angehören. Das Oberliga-Team hat seit Anfang 2007 auch eine schwul-lesbische Fankurve.

Flagge zeigen gegen Skinheads

Ebenso wie Türkiyemspor sah der LSVD Berlin die Notwendigkeit, sich mit diskriminierten Minderheiten zu solidarisieren und gründete die Fangemeinde. Vor allem, wenn die türkischen Kicker gegen Teams spielen, die für ihre rechten Anhänger berüchtigt sind, will die Truppe Flagge zeigen. Bislang ist der Plan nicht aufgegangen. „Es waren organisatorische Gründe und keine Angst vor der Konfrontation“, betont Jörg Steinert vom LSVD Berlin. Trotz Freude über die Unterstützung fürchtet Özaydin, dass die schwul-lesbische Fangemeinde nach einem Zusammentreffen mit rechten Fans schnell in ihrem Elan gebremst wird. „Das sind teilweise knallharte Skinheads. Sich bei denen zu beschweren, dass sie ‚schwule Sau’ gebrüllt haben, dürfte handgreiflich enden.“

Schwul-lesbische Fankurven

  • Hertha BSC Berlin:
    www.hertha-junxx.de

  • FC St. Pauli:
    www.queerpass-stpauli.de

  • Borussia Dortmund:
    freenet-homepage.de/rainbowborussen

  • VFB Stuttgart:
    www.stuttgarterjunxx.de

  • Erster FSV Mainz 05:
    www.meenzelmaenner.de

  • FC Bayern München:
    www.queerpassbayern.de

  • Hamburger SV:
    www.bluepride.de

  • Karlsruher SC:
    www.wildparkjunxx.de

Sensibilisierte Funktionäre

Nach diversen Vorfällen in deutschen Stadien – wie etwa von Hansa-Rostock-Fans – sind gewalttätige Übergriffe auch für den Deutschen Fußball Bund (DFB)) Thema Nummer eins. Ex-Bundesliga-Spielerin Tanja Walther nutzte die Gunst der Stunde, die nun für Gewalt und Diskriminierung sensibilisierten Fußballfunktionäre an einen Tisch zu holen. Im November lud die frühere Kickerin von Tennis Borussia Berlin und FCC Turbine Potsdam Fußballvereine aller Ligen zum „1. Aktionsabend gegen Homophobie im Fußball“ ins Berliner Olympiastadion ein.

Offensiv werden

Für Walther, die nie einen Hehl daraus machte, dass sie lesbisch ist, stand und steht mit der Aktion jedoch kein spektakuläres Coming Out zur Debatte, wie jüngst das des einstigen Mittelfeldspielers von Zweitligist Rot-Weiß Erfurt, Marcus Urban, im Online-Portal der Zeitung „Die Welt“. „Es geht darum, Homophobie und Sexismus zu thematisieren und dem entgegenzutreten“, sagt Walther. „Denn viele Fans und Spieler denken, Fußball ohne homofeindliche Sprüche geht nicht.“

Bekenntnis zur Akzeptanz

Der Abend hat Bewegung in die Homo-Debatte gebracht. Mehr als 30 Vereine, Verbände, Organisationen und Fanclubs unterzeichneten die von Walther vorgelegte „Erklärung gegen Diskriminierung im Fußball“, darunter SV Werder Bremen, FC Energie Cottbus, Carl-Zeiss Jena, Hertha BSC Berlin, FFC Turbine Potsdam und FSV Frankfurt sowie der DFB und der DFL. „Mit der Unterschrift allein ist es aber nicht getan. Wir als DFB werden klar machen, dass wir Diskriminierung jeglicher Art entgegentreten“, so der Sicherheitsbeauftragte des Fußballbundes, Helmut Spahn.

Mut ist gefragt

Der DFB setzt auf Schulung von Trainern, Spielern und Schiedsrichtern, aber auch auf die Zivilcourage der Fans. „Die Vernünftigen sind in der Überzahl. Wir müssen sie ermutigen, aufzustehen und nicht wegzugucken oder wegzuhören, wenn jemand im Stadion ein T-Shirt mit einer rechtsradikalen Botschaft trägt oder diskriminierende Sprüche macht“, fordert Spahn.

„Schwule können nicht Fußball spielen“

Für die Zukunft schwebt dem DFB-Sicherheitsbeauftragten eine Selbstverpflichtung der Vereine vor, bei Diskriminierung – ungeachtet von wem sie kommt – einzuschreiten. Denn nicht nur in den Fanblöcken geht es homophob zu. So erdreisten sich selbst namhafte Kicker zu schwulenfeindlichen Sprüchen. Lothar Matthäus stellte laut Tageszeitung „taz“ vor zehn Jahren die These auf, Schwule könnten nicht Fußball spielen. Kein Ausrutscher, wie weitere Beispiele zeigen. „Ihr schwulen Säcke, euch bring ich alle um!“ wurde der Trainer des 1. FC Magdeburg, Achim Steffens, 2002 von der „taz“ zitiert. Mit diesen Worten hatte Steffens in ein Spiel eingegriffen.

DFB sagt Unterstützung zu

Angesichts dieser Atmosphäre verwundert es nicht, dass sich bis dato in Deutschland kein einziger schwuler Profi-Kicker geoutet hat. Obwohl es sie laut Urban gibt. Im Interview mit „welt.online“ gab er an, drei homosexuelle Bundesligaspieler zu kennen. Urban, der selber ein jahrelanges Versteckspiel hinter sich hat, würde ebenso wie Walther derzeit keinem aktiven Bundesligisten raten, sein Schwulsein offen zu machen. „Es wäre bestimmt kein Spaß, anschließend vor 60.000 Leuten zu spielen“, vermutet Walther. Spahn hingegen schätzt ein Outing als machbar ein. „Gäbe es Probleme, würden wir uns einklinken“, verspricht er. „Allerdings wäre das Wichtigste, dass der Verein den Spieler stützt“, betont er. Oberligist Türkiyemspor will diesen Rückhalt nun bieten. Jetzt muss sich noch ein Kicker finden.

red/bks

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