

Quelle: photocase; Foto: boing
Wie kann es sein, dass in einem Land, in dem jede Woche ca. 51 Kochshows im Fernsehen gezeigt werden, in denen es zwischen 30 und 60 Minuten um gesundes, naturbelassenes Essen geht, in denen über artgerechte Tierhaltung, Bioprodukte und Verantwortung für die Natur gesprochen wird und in denen Spitzenköche Tipps für die tägliche Familienküche geben, wie kann es sein, dass in diesem Land seit Jahren jedes Jahr mindestens ein Lebensmittelskandal stattfindet?
Antibiotika im Schweinefleisch (2001+2005), Pestizide im Gemüse (2002 + 2010), Dioxin in Frühstückseiern (2005 + 2011) sind einige – aber nicht die einzigen – Beispiele für die Wiederkehr von Skandalthemen. Eine aufschlussreiche Zusammenstellung der Skandale seit dem Jahr 2000 liefern Stern und BILD (die Mischung der Quellen dürfte den Wahrheitsgehalt der Aussagen positiv unterstützen).
Den aufgedeckten Skandalen gegenüber steht eine andauernde Bemühung des Gesetzgebers, den Skandalen und ihren Folgen mit einer offensiven Gesetzgebung zu begegnen. Deshalb wurde im Jahr 2008 das Verbraucherinformationsgesetz (VIG) verabschiedet. Das Gesetz soll Verbraucher in die Lage versetzen, sich Informationen und Daten über Produkte zu beschaffen, die bis dato nur den Behörden vorlagen. Gleichzeitig erlaubt es den Behörden, aktiv über Ereignisse und Besonderheiten zu informieren. Leider gab das Gesetz von Anfang an Anlass zu starker Kritik, angefangen vom Gültigkeitsbereich (es fehlten technische Geräte und der Dienstleistungsbereich) über die fehlende Auskunftspflicht von Unternehmen gegenüber Verbrauchern, ja sogar teilweise gegenüber den Behörden, bis hin zu den sehr hohen Gebühren.
Eine Änderung des Gesetzes ist derzeit in Arbeit.
Wie wichtig gesundes und bewusstes Essen ist, zeigt besonders eindringlich die hohe Zahl übergewichtiger Kinder in Deutschland (eine Studie des Robert-Koch-Instituts belegt, dass etwa 15 % der Kinder und Jugendlichen von drei bis 17 Jahren in Deutschland übergewichtig sind, 6,3 % gar fettleibig). Der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte ist äußerst besorgt über die immer dicker werdenden Kinder und fordert dringend Prävention und gezielte Maßnahmen von Politik und Krankenkassen.
Wie schlecht es andererseits um das öffentliche Bewusstsein bestellt ist, zeigt ein Beispiel aus Krefeld. Der Fachbereich Oecotrophologie (Ernährungswissenschaften) der dort ansässigen Hochschule Niederrhein hat der Stadt Krefeld bereits im Jahr 2007 ein gemeinsam mit der Verbraucherzentrale erarbeitetes Bewertungssystem, eine Zertifizierung für Schulessen angeboten. Darauf hat, wie der Projektleiter Professor Volker Peinelt gegenüber der Westdeutschen Zeitung verärgert anmerkt, der Oberbürgermeister noch nicht einmal geantwortet.
Ein anderes Beispiel für eine mangelhafte Auseinandersetzung mit dem Thema Ernährung (für Kinder) war die Weigerung der Bundeministerin für Verbraucherschutz, sich ergebnisoffen mit der Ampelkennzeichnung für Lebensmittel auseinanderzusetzen. Auch hier hat der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte eine klare – aber nicht gehörte – Haltung geäußert.
Wolfram Siebeck, Journalist, Gastronomiekritiker, Feinschmecker und Verfechter gesunder und natürlicher Lebensmittel, beschrieb das „Essens-Bewusstsein“ der Deutschen kürzlich im Zeitmagazin mit den Worten: „Das ist die Krux mit den Essgewohnheiten der Deutschen: Der Schund, den man ihnen vorsetzt, kann gar nicht minderwertig genug sein; wenn er nur billig ist, schlucken sie ihn gerne.“
Und noch ein weiterer Siebeck: „Alarmstufe Gelb Es ist die fünfhundertste Aufführung desselben Stücks. Dieselbe Kulisse, dasselbe Drehbuch, dasselbe Drama: »Dioxin im Essen«. In unserem täglichen Essen – im Frühstücksei, in der Bratwurst.“ Ein (verbands-)politischer Disput um die Frage „Wie kommt Dioxin ins Essen?“
Zur Frage „Was ist faul im Land der Kochshows?“ gehört auch ein Blick auf die Fernsehköche. Die Damen und Herren, die mit eigenen Restaurants bereits gute Erfolge hatten und dann mit eigenen Sendungen oder als „Zutat“ ins Fernsehen gingen, Cornelia Poletto, Alfons Schuhbeck, Sarah Wiener, Johann Lafer – um nur einige Beispiele zu nennen, singen in ihren Sendungen das hohe Lied von Frische und Qualität, um gleichzeitig in der Fernsehwerbung für einen natürlichen Genuss („Herta Natürlicher Genuss„, Cornelia Poletto) zu werben, der bei näherem Hinsehen so natürlich nicht ist. Oder Alfons Schuhbeck, seit Januar 2011 Partner der Deutschen Bahn, „natürlich“ mit Konservierungsstoffen, Antioxidations- und Süßungsmittel.
Hippokrates wird der folgende Satz zugeschrieben: „Deine Nahrungsmittel seien Deine Heilmittel.“ Was würde er wohl heute sagen?
Links zum Thema:
Kein Bock auf die Mensa – Hessische Schulkantinen bleiben leer – Essensqualität und -preise in der Kritik
Gesunde Ernährung in der Schule – Ideen aus dem Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (von Zynikern auch
Lobbyschutzministerium genannt)
Lernmotivation aus der Pausenbox praktische Lebenshilfe auf der Homepage der Telekom
Qualitätsstandards für die Schulverpflegung (existieren seit Jahren, sind aber in Hessen eher unbekannt!)
Schüler flüchten vor gesundem Essen -und Eltern protestieren dagegen! Die Initiative des britischen Starkochs Jamie Oliver
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