Die demografische Landkarte muss neu gezeichnet werden. In vielen Ländern wurden die Sorgen über den Geburtenrückgang ersetzt durch neue Sorgen über den Beginn der „vergreisenden“ Bevölkerung. Selbst Regierungen machen sich schon Gedanken, wie sie ihre politischen Prioritäten verändern müssen. diebuergerlobby gibt hier eine Einführung in die Problematik.
Zwischen 1950 und 2000 hat sich die Weltbevölkerung mehr als verdoppelt – auf 6,81 Billionen Menschen. Der Altersdurchschnitt wuchs um knapp drei auf 26 Jahre. Während der nächsten 50 Jahre wird ein Bevölkerungszuwachs von weniger als 50 % auf 8,9 Billionen erwartet, währenddessen der Altersmedian um 11 auf 37 Jahre anwachsen wird. Folgt man den Projektionen der UN, so wird die jährliche Geburtenrate, die gegenwärtig bei 1,2 % liegt, in den späten 2040-er Jahren auf 0,3 % fallen.
Die Hälfte der Bevölkerung über 65 Jahren
Die Bevölkerung von 43 Ländern wird im Jahre 2050 kleiner sein als heute. Der größte absolute Rückgang wird in Russland erwartet – von 146 Millionen im Jahre 2000 auf 101 Millionen im Jahre 2050. Das Land mit dem zweithöchsten Bevölkerungsrückgang wird Japan sein – dort werden laut Prognose 110 Millionen statt heute 127 Millionen Menschen leben. In der Europäischen Union wird sich die Anzahl von Menschen ab 65 Jahren im Vergleich zur Bevölkerung im Alter zwischen 15 und 64 Jahren vom Verhältnis 1:4 zum Verhältnis 1:2 wandeln.
In alternden Nationen gewinnen Fragen der Rentenansprüche an Bedeutung. Der Ruhestand der Nachkriegsbabyboomer rückt näher, die Zahl der Pensionäre steigt gegenüber der Zahl der Beitragszahler rapide an. Nach einer Schätzung der OECD wird der steigende Altersfaktor den Anteil der Pensionszahlungen in den Industriestaaten während der nächsten 50 Jahre auf über fünf % des Bruttoinlandsproduktes heben.
Länger arbeiten?
Um die Probleme zu entschärfen, gibt es einen einfachen Weg: das Rentenalter wird angehoben. Die Befürworter dieses Schrittes argumentieren, ältere Menschen seien heute gesünder und besser ausgebildet. Die heutige Berufswelt stelle generell weniger physische Anforderungen.
Seit 1994 demonstriert Schweden ein mögliches Modell für eine staatliche Rentenreform. Das Land hat sein umlagefinanziertes Rentenverfahren durch ein „theoretisch definiertes Beitragsmodell“ ersetzt, das versicherungsmathematisch eine faire Verbindung zwischen Beiträgen, die einem persönlichen Konto gutgeschrieben werden, und möglichen Erträgen entwickelt.
Zu wenige Arbeitskräfte
Auch die Erwerbstätigkeit muss den Erfordernissen einer alternden Bevölkerung angepasst werden. Einige Nationen müssen sich darauf einstellen, nicht genügend Arbeitskräfte zur Verfügung zu haben. Die Vereinten Nationen haben festgestellt, dass Japan 600.000 Immigranten jährlich aufnehmen müsste, um den derzeitigen Beschäftigungsgrad beizubehalten.
Eine mögliche Lösung kann sich aus einer Änderung der Einwanderungsbestimmungen ergeben, um neue Arbeitskräfte ins Land zu bekommen. Besonders „Kulturkonservative“ in den Ländern rund um die Welt sind jedoch häufig gegen solche Vorschläge, da sie in einer ausgeweiteten Immigration eine Gefährdung der nationalen Identität und Kultur sehen. Aber selbst Gesellschaften, die kein Problem mit der Zahl der Arbeitskräfte haben, müssen sich darauf einstellen, dass eine alternde Gesellschaft neue Anforderungen an den Arbeitsmarkt stellen wird – so wird beispielsweise der Bedarf für Pflege und medizinische Versorgung stark zunehmen.
Positive Prognose – Frau sei Dank
Frau sei Dank! Es gibt auch noch positive Prognosen, was die Gestaltung zukünftiger Renten anbetrifft. Die Arbeitsbiografien von Frauen haben sich nämlich verändert. Viele künftige Rentnerhaushalte werden über mehr Geld verfügen als ältere westdeutsche Ehepaare von heute, weil beide Ehepartner momentan berufstätig sind und Ansprüche für morgen und übermorgen erwerben.
Deshalb wiegt es nicht ganz so schwer, wenn das Rentenniveau beispielsweise auf 60 statt 70 % der Bruttolöhne sinkt. Denn 60 % der Einkünfte von Mann und Frau ergeben in den meisten Fällen deutlich mehr als 70 % eines Männereinkommens. Die Themen Arbeit, Rente und Armut bewegen die Gesellschaft, aber in den Debatten über Sozialkürzungen und Lohnnebenkosten wird der weibliche Faktor allenfalls am Rande bedacht. Dabei lassen sich die Finanznöte der Rentenversicherung umso einfacher bekämpfen, desto leichter Frauen gleichzeitig Kinder erziehen und berufstätig sein können.
Berufstätige Frauen retten die Pflegeversicherung
Für die Reform der Pflegeversicherung ist ebenfalls an die Erwerbstätigkeit der Frauen zu denken. Sicher wird die ambulante Betreuung älterer Menschen häufig von Töchtern oder Schwiegertöchtern übernommen, die nicht berufstätig sind. Dieses Modell wird nicht mehr funktionieren, wenn noch mehr Frauen berufstätig und mobil sein wollen. Die Vereinbarkeit von Pflege und Beruf dürfte für viele Frauen der Babyboomergeneration ähnlich schwierig werden, wie heutzutage die Vereinbarkeit von Familie und Beruf für die 30- bis 50-jährigen.
red/dk