Skepsis ist eine bewährte Methode, um zwischen Wahrheit und Fiktion zu wählen. Wird ein Skeptiker mit einer Behauptung konfrontiert, so behält er sich das Recht vor, diese solange zurückzuweisen, bis der Behauptende genügend Argumente liefert, die dessen Behauptung untermauern. Wenn der Skeptiker die Beweise für zwingend erachtet, wird er der Behauptung vorläufig vertrauen. Vorläufig deshalb, weil er vielleicht schon morgen neue Beweise findet, die die Behauptung als falsch entlarven.
Diesen Gedanken der Merseyside Sceptics Society sollte sich jeder zu Eigen machen, der im Internet nach Informationen oder gar nach der Wahrheit sucht.
Wie wichtig eine gesunde Skepsis gegenüber dem Internet und vielen der dort gemachten Aussagen ist, veranschaulicht die Diskussion über Risiken und Notwendigkeit von Schutzimpfungen im Zusammenhang mit der Schweinegrippe. Panikmeldungen über das Ausmaß der Pandemie wechselten sich ab mit solchen über die Gefahren der Wirkverstärker in den Impfstoffen und wilden Spekulationen über den „Sonderimpfstoff für Politiker„.
In all diesen Diskussionen wurden auch Mythen wieder aufgefrischt, von denen man geglaubt hatte, sie seien längst wiederlegt.
So z.B. der Zusammenhang zwischen der MMR-Impfung (Dreifachimpfung gegen Mumps, Masern, Röteln) und der Auslösung von Autismus bei Kindern. In einer Studie aus dem Jahr 1998 , die auf der Untersuchung von 12 Kindern beruhte, hatte Andrew Wakefield, ein britischer Chirurg, veröffentlicht, dass er bei acht Kindern einen Zusammenhang zwischen der MMR-Impfung und dem Ausbruch eines Autismus als gegeben ansah. Die damit verbundenen Veröffentlichungen in den britischen Medien führten zu hysterischen Reaktionen der britischen Öffentlichkeit und zu einem dramatischen Rückgang der Impfung von Kleinkindern in Großbritannien, deren Auswirkungen noch heute zu spüren sind. Und das, obwohl inzwischen zweifelsfrei feststeht, dass es keinen Zusammenhang zwischen der MMR-Impfung und dem Ausbruch eines Autismus gibt und die Studie längst zurückgezogen ist. Dafür stellte sich aber heraus, dass Wakefield und weitere Gegner des Dreifachimpfstoffes in finanzielle Verstrickungen in Millionenhöhe verwickelt waren und dass Wakefield selbst nach einem Wirkstoff forschte .
Bemerkenswert ist auch ein weiterer Aspekt: Während die MMR-Hysterie sich räumlich beschränkt „auf der Insel“ abspielte, wurde z.B. die Diskussion um Squalen (Wirkstoffverstärker im Impfstoff Pandremix) auf der Bühne Internet global geführt. Das führte dazu, dass sich die Verdächtigungen aus unterschiedlichen Kulturkreisen (in Italien sehen Impfkritiker einen Zusammenhang zwischen Impfungen und plötzlichem Kindstod, Franzosen hingegen sehen besonders den Zusammenhang zwischen einer Hepatitis B-Impfung und multipler Sklerose) zu einem für Laien undurchdringlichen Informationsbrei vermischten, dessen Auswirkungen am deutlichsten an der ständig abnehmenden Impfbereitschaft der Deutschen abzulesen waren.
Im Internet wimmelt es von selbsternannten Experten, von Geschichten, die nur vom Hörensagen bekannt sind und trotzdem als erwiesene Wahrheiten dargestellt werden. Auch die dümmste Behauptung findet im Internet ihren Multiplikator. Und doch gilt es, gleichzeitig all die positiven Beispiele festzuhalten, die bestätigen, dass auch Gedanken abseits des Mainstreams wichtig und richtig sein können. Und auch dafür ist das Internet eine wunderbare Bühne.
Das Internet macht das größte Informationsangebot, auf das ein einzelner Mensch jemals zugreifen konnte.
Deshalb aber zu glauben, wir lebten in einer informierten Gesellschaft, wäre ein fataler Irrtum.
Wir leben in einer Informationsgesellschaft, in der jeder für seinen Umgang mit Information selbst verantwortlich ist.
Je sorgfältiger der Einzelne diesen Umgang pflegt, desto näher kommt die Gesellschaft als Ganzes dem Ideal.
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