Die Annahme, dass die Zukunft der Demokratie gesichert sei, hat uns selbstgefällig gemacht. Es war leicht, zu denken, man könne sich ruhig ins Private zurückziehen. Aber die Zeiten haben sich geändert.
Die Bürger werden für autoritäre Alternativen zur Demokratie immer offener. So sprach sich vor zwanzig Jahren jeder sechste Deutsche für einen „starken Anführer, der sich nicht um Wahlen oder Parlamente sorgen muss“ aus. Heute befürwortet jeder dritte Deutsche einen solchen.
Autoritäre Populisten wie Donald Trump und die ‚Alternative für Deutschland‘ weisen jegliche Kritik als illegitim ab, treten die Rechte von Minderheiten mit Füßen. Das Erstarken der Populisten gefährdet die Grundfeste der liberalen Demokratie und speist sich aus tiefer Enttäuschung mit unserem politischen System.
Der Glaube, dass sich Liberalismus und Demokratie gegenseitig stärken, zerfällt. Es zeigt sich, dass sich der Volkswille immer stärker gegen den Rechtsstaat richtet, gegen unabhängige Institutionen und gegen die Gleichbehandlung von ethnischen und religiösen Minderheiten. Die Grundelemente unseres politischen Systems bekriegen sich also gegenseitig. Noch leben wir in einer freiheitlich demokratischen Gesellschaft. Aber erste Risse sind bereits sichtbar:
Nach Yascha Mounk resultiert die existenzielle Krise der Demokratie aus drei langfristigen Entwicklungen, die sich in den kommenden Jahren wahrscheinlich noch verstärken werden:
Erstens: Der Lebensstandard der meisten Bürger stagniert.
Wir sind inmitten eines einzigartigen historischen Experiments, monoethnische in multiethnische Gesellschaften umzuwandeln.
Facebook und Twitter geben radikalen Stimmen starken Auftrieb.
Um die Demokratie zu retten, sind nach Yascha Mounk mindestens vier Schritte nötig:
Wir müssen uns viel stärker politisch engagieren, um den Populisten zu zeigen, dass sie nicht für uns alle sprechen.
Wir müssen unsere Wirtschaftspolitik radikal ändern, damit Durchschnittsbürger endlich wieder an den Früchten der Globalisierung teilhaben können.
Wir müssen für einen inklusiven Patriotismus werben, der unsere gemeinsamen Errungenschaften feiert und für alle Deutsche offen ist.
Wir müssen in unseren Schulen und unseren Medien viel bewusster die Vorzüge unseres politischen Systems anpreisen, anstatt nur auf Missstände hinzuweisen.
Die Verfechter unserer freiheitlich demokratischen Grundordnung stehen nun in der Pflicht: Wir müssen endlich wieder für unsere Werte kämpfen!
Yascha Mounk, 1982 in München geboren, lehrt politische Theorie an der Harvard University, ist Senior Fellow bei New America und leitet das Tony Blair Institute for Global Change in London. Sein Forschungsschwerpunkt umfasst Fragen zur Entwicklung der liberalen Demokratie und Eigenverantwortung in der Politik. Mounks Beiträge über europäische und amerikanische Politik erscheinen u.a. in The New York Times , The Wall Street Journal, Foreign Affairs, Slate, der Zeit und der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.
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