0 Nennt sie DAESH!
Gedanken zur Bedeutung der Sprache
beim Kampf gegen den Terror

Der Terroranschlag von Brüssel, die am Abend des Terrortags im ZDF ausgetrahlte Sendung „Markus Lanz“ und viele der folgenden Beiträge in Funk, Fernsehen und Printmedien haben mich auf den Gedanken zu diesem Beitrag gebracht:

„Lasst uns alle (das bezieht auch die Aktivisten von facebook und twitter ein, von denen vermutlich viele einem solchen Gedanken nicht zugänglich sein werden) sorgfältiger mit der Sprache und den Wörtern umgehen, wenn wir uns – in welcher Form und aus welchem Anlass auch immer – zum Thema „Terrorismus“ äußern.“

Dazu soll dieser Beitrag, aufgehängt an einigen Beispielen, einen Beitrag leisten!Beginnen möchte ich mit der Sendung von Markus Lanz vom 22. März 2016.

Die Sendung befasste sich leider einmal mehr nur in bekannter Form mit einem Terroranschlag. Wieder einmal wurde festgestellt, dass es in offenen Gesellschaften kaum möglich sein dürfte Terroranschläge wie den von Brüssel zu verhindern.  Dass der Austausch zwischen den europäischen Polizeioganisationen nach wie vor unzureichend ist (wen wundert das, wo nicht einmal deutsch Polizeibehörden innerdeutsch reibungslos zusammenarbeiten)

Vertan wurde die Chance auf einer (relativ) großen Bühne (Marktanteil der Sendung 12,3 Prozent, 1,7 Millionen Zuschauer) einen ersten Beitrag zu einem anderen sprachlichen Umgang mit dem Terror zu leisten. Warum?

Hier unser erstes Beispiel:

Eingeladen waren u.a. Wolfgang Bosbach, CDU (Bundestagsabgeordneter und seit 2013 politischer Dauergast in Talkshows) und Asiem El Defraoui (Politologe syrischer Herkunft der seit 25 Jahren zum Thema Islamismus forscht). Defraoui war es, der diese Chance zum „Sprachwechsel“ mit folgender Äußerung (bei Minute 13:02) eröffnete:

„Allein unsere Wortwahl, auch hier wieder diese Wortwahl „Islamischer Staat“ es ist kein islamischer Staat. Es ist ein Gebilde , es ist ein ideologisches Gebilde, es ist ein Sektengebilde, das wirklich nichts mehr mit dem Islam zu tun hat. Deshalb sollten wir denen auch gar nicht die Ehre geben, sich mit dem Namen einer Weltreligion zu schmücken. Es gibt zum Beispiel das arabische Wort, das probieren wir auch in Deutschland durchzusetzen, die werden nur noch als DAESH bezeichnet, das ist die Abkürzung und DAESH heißt auf Arabisch „die Zertrampler“. Und das sind zum Beispiel Worte, die die Engländer und Franzosen benutzen. Das sollten wir auch mehr tun, nennen wir sie einfach Zertrampler.“

Mit einem, wie ich empfand, süffisanten Lächeln, entgegnete darauf  Wolfgang Bosbach in den Applaus (bei Min, 13:33) hinein

„Sie wissen aber schon, ma gespannt ob das jetzt so weitergeht, aber sie werden sicherlich wissen, dass es ein Betätigungsverbot des Bundesinnenministers gibt im Hinblick auf den islamischen Staat, der sich selber so bezeichnet und da ich nicht weiß ob jeder den Zertrampler assoziiert mit dem islamischen Staat möchte ich gerne den Begriff wählen, den wir schon seit Monaten haben. Das ist ja auch ein Rechtsbegriff, das Betätigungsverbot bezieht sich nicht auf Zertrampler sondern auf den islamischen Staat.“

Mit dieser Äußerung zeigt Bosbach, dass er entweder nicht zugehört hat oder, was fast wharscheinlicher ist (er spricht davon, dass „Islamischer Staat“ ein Rechtsbegriff sei) oder aber den Sinn der Aussage gar nicht verstanden hat.

Wir haben heute beim Bundesinnenministerium nachgefragt wie die Aussage von Wolfgang Bosbach zu verstehen ist und ob der „juristische Begriff“ islamischer Staat durch Daesh ersetzt werden kann.

Aber nicht nur Wolfgang Bosbach kann als Beispiel für fragwürdige Sprachbeispiele dienen. Auch die Spezialisten für „deutliche“ Worte, die Redakteure der Bild-Zeitung sind immer eine Betrachtung wert:

Kurz nach dem Anschlag twitterte Bild (tweet scheint zwischenzeitlich gelöscht): Wir sind im Krieg!
So spektakulär sich das liest und so viel Zustimmung dieser tweet auch bei der Mehrzahl der User gefunden hat, so lohnt es doch einen Moment innezuhalten und den Begriff Krieg zu genauer beleuchten.

Die Bundeszentrale für politische Bildung widmet dem Begriff Krieg in ihrem Politiklexikon eine eigene Rubrik. In dieser heißt es gleich zu Beginn:

„Krieg bezeichnet einen organisierten, mit Waffen gewaltsam ausgetragenen Konflikt zwischen Staaten bzw. zwischen sozialen Gruppen der Bevölkerung eines Staates (Bürger-K.)“

„…Konflikt zwischen Staaten…“ scheint uns die entscheidende Begriff zu sein.
Wenn die Bild davon spricht, dass „wir“ im Krieg sind, dann ist das in diesem Sinne schlicht falsch. Es gibt kein Land gegen das „wir“ im Krieg sind, es gibt keine Kriegserklärung die „wir“ ausgesprochen haben. (Genfer Konvention, Hager Landkriegsabkommen)

Der Kampf gegen Daesh ist das „zur Wehr setzen der Weltgemeinschaft“ gegen eine terroristische Horde die mit ihrem Terror jenseits aller Gesetze und Regeln und jenseits der Menschlichkeit agiert. Wer dabei von Krieg spricht, der wertet die Horde internationlaer Terroristen völlig unnötig auf und schadet den Bemühungen all derer, die versuchen Jugendliche und junge Erwachsene gegen die Indoktrination der Dschihadisten immun zu machen.

Markus Lanz formulierte bei der Vorstellung von Wolfgang Bosbach eine Frage, aus der sich eine Antwort im Sinne unserer Gedanken ableiten läßt:

„Was hat ein türkischer Pizzabote aus Dinslaken, der kein Wort arabisch spricht, gemeinsam mit einem französischen Algerier der vielleicht auch nur drei Brocken arabisch spricht?“

Gemeinsam ist diesen Jugendlichen vermutlich ein Gefühl fehlender gesellschaftlicher Wertschätzung, fehlender Lebensperspektiven und der Wunsch danach, respektiertes Mitglied einer starken Gruppe zu sein. Zusammengefasst: Zugehörigkeit zu erleben.

Und da setzen die „Akquisiteure“ des Dschihad an.

Wer sich nur einmal ein Werbevideo des Daesh angeschaut hat, der weiß mit welch wirkungsstarken Bildern hier gearbeitet wird. Dazu die persönliche Ansprache durch gleichaltrige oder nur unwesentlich ältere, rhetorisch aufs beste geschulte Prediger.

Dem setzen wir zu wenig Substanzielles entgegen. Mit an zwei Beispielen aufgezeigten „Kriegs-“ und „Staats-„rhetorik tragen Medien und Politiker aus Nachlässigkeit und/oder Oberflächlichkeit dazu bei das Image der Terroristen als mächtige Gruppe zu stärken.

Wer erfolgreich gegen exzellent verkaufte Ideale – und mögen sie noch so verlogen und falsch sein – kämpfen will, der muss unbedingt bessere Ideale anbieten.

Und das beginnt mit der Sprache und der Wortwahl.
(Wird fortgesetzt)

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