Seit dem 13.11.2014 ist die Nation in Aufruhr – An diesem Tag hat der Spielbank-Betreiber Westspiel über die amerikanische Niederlassung des britischen Auktionshauses Christie’s zwei Bilder von Andy Warhol („Triple Elvis“ und „Four Marlons) zur Versteigerung gebracht. Die Bilder, die Westspiel in den 70-er Jahren für insgesamt 388.000 D-Mark gekauft haben soll („Triple Elvis“ wurde nach Angaben von Christie’s 1977 von der Züricher Galerie Ammann für rund 183.000 D-Mark erworben, die „Four Marlons“ kosteten 1978 sogar 205.000 D-Mark), kamen jetzt für – zusammen – 151.500.000 Milionen US-Dollar (121 Millineno Euro) unter den Hammer. Doch statt großer Freude über einen sensationellen „Reibach“ gibt es Empörung, Protest und Bestürzung in Politik und Kulturwelt. Während die mit Kunst und Kultur befassten von einem Dammbruch sprechen, in dessen Folge es zum Ausverkauf nationalen Kulturguts kommen werde, empört sich die Politik (soweit sie in der Opposition oder nicht in NRW ist) dass man „mit dem Verkauf von Kunst keine Haushaltslöcher stopft„(Kultursenatorin Hamburg). Bereits im Vorfeld der Auktion warnte die Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) vor einem „Tabubruch“.
Und nun ist’s passiert und NRW oder Westspiel (oder wer eigentlich genau bekommt eine Menge Dollars!?) Und wie viele Dollars sind es eigentlich wirklich? Auch da gibt es ja bereits heftige Diskussionen. Wir starten den Versuch einer Klärung.
Blicken wir zunächst auf den Dammbruch.
RP-online berichtet, dass die beiden Bilder bereits seit 2009 in einem Safe der Westspiel gelegen haben. Die Bilder waren also der Öffentlichkeit dauerhaft eintzogen. Vielleicht lohnt es genau deshalb einmal die Frage zu stellen „Was ist eigentlich nationales Kulturgut? Nur Kunst und historische Schätze deutschen Ursprungs? Oder auch internationale Kunst? Wer bestimmt ab wann und mit welcher Begründung internationale Kunst zu nationalem Kulturgut wird?
Für Norbert Walter Borjans, Finanzminister von NRW scheint das ganz einfach zu sein, sagte er doch in einem Gespräch mit der Bild-Zeitung : „Ein Kunstwerk hat einen Wert, wenn es zu veräußern ist. Wenn ausgeschlossen wird, es zu veräußern, hat es auch keinen Wert.“ Eine Aussage die zwischenzeitlich mehrfach dahingehend verkürzt wurde, dass Borjans gesagt haben soll „“Ein Bild ist nur dann etwas wert, wenn es einen Preis hat“. Was bedeutet denn das für das viel beschworene „nationale Kulturgut“? Oder hat sich Herr Burjans einfach „verstiegen“?
Bei der Suche nach einer Antwort auf die Frage „Was ist nationales Kulturgut?“ leistet die Internetseite kulturgutschutzdeutschland große Hilfe. Grundsätzlich heißt es dort:
Kulturgutschutz braucht Transparenz
Kulturgüter müssen geschützt werden, denn sie sind für Menschen und Nationen identitätsstiftend. Wichtige Zeugnisse der Menschheitsgeschichte sollen für die nachfolgenden Generationen erhalten bleiben und der Allgemeinheit zugänglich gemacht werden.
Die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien und die sechzehn Bundesländer haben gemeinsam diese Website eingerichtet, um das Bewusstsein für den Kulturgutschutz zu stärken und Transparenz für alle Beteiligten herzustellen.
und weiter
Das Ziel ist die Bewahrung des Kulturerbes
Das Ziel des Kulturgutschutzes liegt insbesondere in der Bewahrung des Kulturerbes, um es künftigen Generationen unbeschadet überliefern zu können. Die sich aus diesem Ziel ergebenden Aufgaben bestehen darin, Kulturgüter vor einer Beschädigung, Zerstörung oder Entfernung von ihrem angestammten Ort zu schützen.
Der Schutz der jeweils national wertvollen Kulturgüter dient nicht nur der Festigung der eigenen Identität, sondern — durch die Botschaftsfunktion — auch der Völkerverständigung. Da Kulturgüter immer Zeugnisse der menschlichen Entwicklung in ihrer Gesamtheit sind, kommt ihr Schutz stets der Allgemeinheit zugute.
Wäre es nicht ein Einfaches alle Kunstobjekte, die sich in öffentlichen Händen befinden, regelmäßig daraufhin zu prüfen, ob sie in gesellschaftlicher, politischer oder auch materieller Art und Weise so stark an Bedeutung gewonnen haben, dass sie „es wert sind“ in die Datenbanken kulturgutschutzdeutschland aufgenommen zu werden? Solange ein Kunstwerk nicht in einer der hier geführten Datenbanken aufgeführt ist, wären dann keine Ängste vor kulturellen Dammbrüchen nötig.
Nun zur Frage „Wieviel Dollars fließen denn nach NRW?“
Der Verkaufserlös wird offiziell mit 151.500.000 US-Dollar angegeben (das entspricht 121.000.000 Euro). Diese sollten eigentlich an die Westspiele gehen. Leider nur „eigentlich“, denn wenn stimmt, was der Kunsthandelsexperte Stefan Koldehoff im Deutschlandfunk sagte
„hat sich das Land von Christie’s eine Garantie hat geben lassen, und die liegt ungefähr bei (diesen) 80 Millionen. Jetzt ist deutlich mehr erlöst worden, 41 Millionen mehr nämlich, und da sagen die Regularien einer Auktion, der Mehrerlös wird geteilt.“
Sollte das zutreffen, dann waren die Verhandler aus NRW entweder nicht gut beraten oder sie waren in Sachen Kunsthandel inkompetent, denn nach Expertenmeinung wäre beim derzeitigen Marktwert von Warhol-Werken keine Erlösgarantie nötig gewesen. Und ohne Garantie wären alle Erlöse an Westspiel und NRW gegangen.
Somit bleibt die Frage „Wer hat denn mit Christie’s verhandelt?“
Über die nicht ganz einfach zu durchschauenden Besitz- und Eigentumsverhältnisse schreibt die Zeit unter der Überschrift „Duisburger Kunstroulette„, dass der Verkäufer der Warhols die Westspiel ist, die mit dem Erlös ihre alten Häuser renovieren und in Köln ein neues Kasino errichten will. Westspiel allerdings gehört der NRW.Bank und die gehört dem Land Nordrhein-Westfalen.
Wer ist verantwortlich für den leichtfertigen Verzicht auf viele Millionen Euro? Und was passiert mit dem verbleibenden Geld?
Zunächst werden die seit Langem fast leeren Kassen der Westspiel wieder gefüllt. Das Geschäftsjahr 2012 schloss das Unternehmen noch mit einem Verlust von 7,9 Millionen Euro ab. Für die Jahre 2013 und 2014 gibt es noch keine offizielle Bilanz. Ein Sprecher des Unternehmens schätzt aber, dass der jährliche Fehlbetrag in den vergangenen Jahren eher noch größer geworden ist.
Allerdings bleiben die Kunstmillionen nicht lange auf dem Konto der Duisburger Firma. Der Verlust des Jahres 2014 wird vom Warhol-Erlös abgezogen. Das Plus – schätzungsweise knapp unter 100 Millionen Euro – wird dann an das Land überwiesen. Das regelt der Glücksspielstaatsvertrag.
Rückflüsse in wohltätige Stiftung
Diese Abmachung zwischen Bundesländern und Spielbankbetreibern legt fest, wie stark der Geldfluss aus den Kasinokassen in den Landeshaushalt ist. Neben der Überschussabschöpfung muss jede Spielbank 30 Prozent ihrer Gewinne, Bruttospielerträge genannt, als Spielbankabgabe an das Land überweisen. Bei der Westspiel kamen so im Jahr 2012 rund 50 Millionen Euro zusammen. 25 Millionen davon gehen jährlich an die Stiftung Wohlfahrtspflege NRW. Nach eigenen Angaben hat die Stiftung auf diesem Weg seit 1977 rund 750 Millionen Euro erhalten und finanziert damit zum Beispiel Projekte zur Integration von Menschen mit Behinderung in die Gesundheitswirtschaft.
Das Geld für die anstehenden Investitionen in Neu- und Umbau der Westspiel-Häuser fließt also von den Käufern der Warhol-Gemälde auf das Westspiel-Konto, von dort in den Landeshaushalt und 2015 wieder zurück zu Westspiel. Denn im kommenden Haushalt sind 80,6 Millionen Euro für die Kasino-Investitionen vorgesehen. Der Rest der erlösten Millionen bleibt in der Landeskasse.
Uns scheint die Frage erlaubt, ob es sinnvoll ist einen Großteil des Ertrages zur Sanierung von maroden Spielbanken zu verwenden. Wie aus der Diskussion um die Verwendung des Solidaritätszuschlags bekannt, gibt es in NRW jede Menge Investitionsbedarf in den Bereichen Grundversorgung und Daseinsvorsorge.
Weil das Geld aber durch den Verkauf von Kunstwerken erlöst wurde, würde es sich gut machen, wenn ein Teil dieses Geldes auch wieder der Kunst zufließen würde. Warum nicht ein, zwei oder drei Prozent des effektiv Erlöses in die Werke junger Künstler aus NRW investieren. Das wäre im doppelten Sinne fruchtbar – junge Künstler die ja zu Schöpfern von neuen nationalen Kulturgütern werden können würden unterstützt – und – jedes Kunstwerk wäre eine Investition die vielleicht eines Tages zu Erlösen führt wie heute die beiden Warhols.
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