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Was kümmert es die Eiche,
wenn die Wildsau sich an ihr reibt?

Dieser Spruch ist mir – leider – als erster eingefallen, als darum ging Jan Philipp Albrechts Buch Finger weg von unseren Daten zu besprechen. Denn was Albrecht auf den 187 Seiten seines kleinen, fast unscheinbaren Buches zusammenfasst (die schmerzhafte Erkenntnis wird auch durch die zweieinhalb zusätzlichen Seiten einer nach Hoffnung auf Besserung klingende Nachbemerkung nicht gelindert), zeigt geradezu erschreckend klar wo wir heute stehen, wenn es um Datenschutz und informationelle Selbstbestimmung geht: Auf (scheinbar) verlorenem Posten!

Mit seinem Blick in die Vergangenheit und einer Betrachtung zur Frage “Wozu brauchen wir überhaupt einen Datenschutz?” liefert Albrecht eine wirklich einfache Erklärung dafür, wie es zu dem – häufig – unbeschwerten Umgang mit dem Thema kommen konnte. Wer denkt denn heute noch an die großen Demonstrationen anläßlich der Volkszählung im letzten Jahrtausend und an das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur “informationellen Selbstbestimmung” aus dem Jahr 1983?

Aber es ist nicht allein das „Vergessen“, das für die Entwicklungen in der digitalisierten Welt verantwortlich ist, sondern es ist der, erst schleichende und dann immer schneller und offenichtlicher werdende Verlust des 1983 vom Bundesverfassungsgricht festgestellten „Rechts auf informationelle Selbstbestimmung“.

Ein Verlust, der von den interessierten Kreisen (amazon, google, facebook u.a.) gezielt forciert wurde und für den ein klares STOP von einer, den Entwicklungen stets hinterherhinkenden Politik, geduldet oder einfach hingenommen, verschlafen wurde. Als ein Beispiel von vielen mag die neue Datenschutzbeauftragte des Bundes, Andrea Voßhoff, gelten. Eine Politikerin (CDU), die, so Jan Philipp Albrecht, „wenig bis gar keine Vorerfahrung mit der Arbeit von Datenschutzbeauftragten und den bisherigen Debatten im Bereich Datenschutzpolitik und -recht mitbringt.“

Bei einer solchen Personalie wundert es nicht, dass es in der Politik eine Haltung gibt, die die Verantwortung für den Datenschutz ganz einfach zum Bürger schiebt und aufgrund von dessen oft leichtfertigem Umgang mit intimen, persönlichen Daten annimmt:

„Als Menschen hätten hätten wir unser Menschenrecht auf Datenschutz verwirkt, da wir mit unseren Daten sowieso ständig überall um uns würfen. Insbesondere „die jungen Menschen“, die im Internet alles über sich preisgeben, hätten keinen Anspruch auf Schutz vor eventuellen Konsequenzen ihres jugendlichen Exibitionismus.“

Albrecht enttarnt dieses „kümmert Euch doch selbst drum“ einiger Politiker als das was es ist, das Ablenken vom eigenen Versagen.

Auch wenn Albrecht klar aufzeigt was passieren müsste, um uns Bürgern wenigstens den Hauch einer Chance zur Rückgewinnung der informationellen Selbstbestimmung zu geben, es scheint wenig Grund zur wahren Hoffnung zu geben.

Solange 28 EU-Staaten mit Steuervorteilen und anderen Entgegenkommen um die Gunst der neuen Giganten buhlen (so wie Irland seinerzeit um facebook), solange eine naive Öffentlichkeit glaubt die Blackbox im Auto diene der Verkehrssicherheit und nicht der Gewinnmaximierung der Versicherungskonzerne (zukünftig höhere Prämien für alle die keine Blackbox haben) – kurz, solange Datenschutzrichtlinien nicht zu einem weltweiten Goldstandard gemacht werden, solange wird es für uns keine Souveränität über die Verwendung unserer Daten geben.

Finger weg von unseren Daten! ist eine beunruhigende Bestandsaufnahme, ein Leitfaden zur Veränderung und eine fast beängstigende Darstellung der bestehenden Kräfteverhältnisse.

Deshalb kann es nur heißen:
Kein TAFTA, Snowden vor den NSA-Untersuchungsausschuss, für ein einheitliches europäisches Datenschutzrecht, Schluss mit den Steuervermeidungsspielen der Internetkonzerne, mehr Urteile in der Art des „Google-Urteils“ des EuGH

Finger weg von unseren Daten
von Jan Philipp Albrecht
Verlag KNAUR KLARTEXT
ISBN 978-3-426-78687-1